04.03.2024 11:38:36

Auch Langweiler performen

Kolumne

"Dax springt erstmals über 17.500 Punkte", jubiliert die Börsen-Zeitung und fährt fort: "Und täglich grüßt der Dax-Rekord". "Noch kein Signal für ein Ende der Rally in Sicht", macht uns das Handelsblatt Mut für weitere Gewinne und zum Wochenende legt die Börsen-Zeitung noch einmal nach: "Dax nimmt 18.000 Punkte ins Visier". Bei so viel Euphorie sind die ersten Warner nicht weit: "Aktien so hoch wie noch nie! Crash-Gefahr?", fragt Euro am Sonntag besorgt. Weniger erfreulich sieht es für die deutsche Wirtschaft aus, 0,2 Prozent soll sie laut Bundesregierung dieses Jahr "wachsen", während das DIW fürs erste Quartal noch von einem Minus ausgeht. "Die Inflation fällt in Deutschland auf 2,5 Prozent", titelt Die Welt, sinkende Zahlen können auch einmal etwas Positives bedeuten. Und zuletzt, es heißt wieder statt Stehen im Nahverkehr stehender Nahverkehr - die Signale stehen auf Streik.

Heiße Kracher

Doch, Focus Money ist zweifellos ein Anlegermagazin, auch wenn wir unsere Gedanken bei der Bubble "Hot, Hot, Hot" kurz in eine andere - falsche - Richtung gelenkt sahen. Aber es geht um nicht weniger als "25 absolute Aktienkracher" in einer "exklusiven Analyse". Weshalb sich am unteren Rande des Titelbildes einiges an Geldscheinen angesammelt hat, schließlich erhalten wir mit diesen "Krachern" im "Minimum 100% bis zu 1.000% Rendite". Bei Der Aktionär trägt ein fröhlich brüllender Bulle ein Partyhütchen, denn es gibt eine "fette Fete" zu feiern an der Börse. Frei nach einem bekannten Getränkehersteller heißt es weiter: "Nvidia verleiht den Bullen Flügel". Die 25 scheint es den Finanzmagazinen diese Woche angetan zu haben, denn Börse Online wirbt mit den "25 günstigsten Aktien der Welt" mit einer "Kurs-Chance 100%!". "So günstig, dass sie steigen müssen!", wird weiterhin versprochen. Wir merken vorsichtig an, dass das kein Automatismus ist an der Börse - nicht jeder Pennystock macht einen automatisch zum Millionär. Die Märzausgabe von Traders‘ trifft mit einem Pfeil ins Ziel (so das Titelbild) und schmeichelt uns mit folgender Headline: "Die Outperformance der Langweiler".

Sparsame Junggebliebene

Wie nur alle vier Jahre hatte der Februar dieses Jahr wieder 29 Tage. Das freut alle, die an diesem Tag Geburtstag haben: Während es nicht schön ist, seltener Geschenke zu bekommen, bleibt man dafür länger jung. Der Münchner Merkur hat jetzt berechnet, was dieser Tag so alles an Mehr erbringt: "Ein bayerischer Bonus-Tag", lautet die Überschrift, wobei wir zugeben müssen, dass es auch jenseits des Weißwurstäquators einen Februar mit 29 Tagen gab. Immerhin steigere ein zusätzlicher Arbeitstag die Wirtschaftsleistung um 0,1 bis 0,2 Prozent, lesen wir. Auf Bayern heruntergebrochen bedeutet das normalerweise etwa 1 Mrd. Euro mehr, da es derzeit mit der Wirtschaft aber eher bergab gehe, bleibe es bei nur einer halben Milliarde. Außerdem kamen im vergangenen Schaltjahr 291 Kinder zur Welt, die jetzt ihren ersten, vierten Geburtstag feiern können. Fürs Heiraten sei der 29. Februar im Übrigen eher unbeliebt, weil man nur alle vier Jahre Hochzeitstag feiern könne - ein Fest für Sparsame!

Äpfelchens Mondfahrt

Das wird nichts mehr mit dem selbstfahrenden iPhone, das auch telefonieren kann. Apple hat sein ambitioniertes Autoprojekt ad acta gelegt. Dass kaum etwas so alt ist wie die Zeitung von gestern, musste das Handelsblatt erfahren: Am Dienstag stand da noch "Apple treibt Autoprojekt voran" zu lesen, denn Apple habe seine Testfahrten 2023 massiv ausgedehnt. Einen Tag später schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Apple gibt Pläne für eigenes Auto auf" und das Handelsblatt folgt mit "Apple stellt überraschend sein Autoprojekt ein". Offensichtlich hatten die vielen Testfahrten - 730.000 Kilometer rechnet das Handelsblatt vor - zu eher ungünstigen Erkenntnissen geführt. Vielleicht kooperiert Apple doch besser mit Elon Musk und SpaceX statt Tesla, denn bei 730.000 Kilometern kommt man einmal zum Mond und (fast) wieder zurück!

Mehr Mathematik

Zum Schluss noch etwas, was nur sehr am Rande mit Finanzen zu tun hat, wir geben es zu. Aber nachdem in der PISA-Studie einmal mehr herauskam, dass unsere Kinder nicht gut lesen, schreiben und rechnen können - wenn man so will durchaus Grundvoraussetzungen, um auch an der Börse erfolgreich zu sein - wurde nun in Bayern beschlossen, in den Grundschulen mehr Mathematik und Deutsch-Unterricht abzuhalten. Da jedoch auf drei Stunden Religionsunterricht pro Woche unmöglich verzichtet werden kann - wie jedermann weiß, sitzt der Münchner im Hofbräuhaus und nicht im Himmel, hat also theologischen Nachholbedarf - sollen nun die Fächer Kunst und Musik "zusammengelegt" werden, wie wir der Süddeutschen Zeitung entnehmen konnten. Wir verstehen das so: Die Kinder singen künftig beim Malen und malen beim Singen - das wird einen Kreativitätsschub sondergleichen auslösen und man kann künftig die Kunstakademie und die Musikhochschule zusammenlegen, was noch einmal Geld spart!

Ulrich Kirstein ist Pressesprecher der Börse gettex. Der Betriebswirt und Kunsthistoriker schreibt über Literatur und Börse, interviewt alle 14 Tage in Börse am Donnerstag den Leiter Marktsteuerung und hat u.a. mit Christine Bortenlänger Börse für Dummies und Aktien für Dummies verfasst.

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