03.06.2008 12:48:00
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AUSBLICK/Inflationserwartungen verhindern BOE-Zinssenkung
Von Hans Bentzien Dow Jones NEWSWIRES LONDON (Dow Jones)--Die Wirtschaft Großbritanniens steuert auf harte Zeiten zu, doch die Bank of England (BoE) kann wegen hoher Inflationsraten und anhaltend steigender Inflationserwartungen ihren Ende 2007 begonnenen geldpolitischen Lockerungskurs nicht fortsetzen. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte rechen damit, dass der geldpolitische Ausschuss (MPC) der BoE am Donnerstag seinen Reposatz bei 5,00% belassen wird. Damit wäre der seit Dezember 2007 eingeschlagene Kurs - alle zwei Monate eine Zinssenkung um 25 Basispunkte - unterbrochen.
Das MPC wird bei seinen Beratungen das Risiko eines Wirtschaftsabschwungs gegen das Risiko weiter steigender Inflationserwartungen abzuwägen haben. Die meisten Beobachter sind sich einig, dass dem MPC dabei gar keine Wahl bleibt, weil die volkswirtschaftlichen Kosten dauerhaft entgleister Inflationserwartungen viel höher wären als die Kosten unveränderter Leitzinsen bei schwacher Konjunktur.
Dabei mangelt es wahrlich nicht an Zeichen konjunktureller Schwäche: Der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes ist im Mai auf Rezessionsniveau gefallen, gleiches gilt für das Verbrauchervertrauen. Die für den Konsum wichtigen Hauspreise lagen im April um 16% unter Vorjahresniveau und eine Inflation auf Rekordniveau lässt den Verbrauchern kaum reale Einkommenszuwächse. Gleichwohl wird die BoE den Leitzins nicht senken.
Grund ist die Befürchtung, dass die Lohn- und Gehaltsempfänger nicht mehr daran glauben, dass die Inflation auf absehbare Zeit auf die Zielgröße der BoE - eine Teuerung von 2,0% - zurückfällt und sich dies in den Tarifabschlüssen zu spiegeln beginnt. Im April hatte die CPI-Jahresteuerung 3,0% betragen und die BoE sieht diese Rate ausweislich ihres Mai-Inflationsberichts im dritten Quartal 2008 im Mittel bei 3,0%, im vierten Quartal bei 3,7% und bis ins dritte Quartal 2009 hinein über 3,0%.
BoE-Gouverneur Mervyn King wollte bei Vorlage des Berichts sogar einen Anstieg der CPI-Inflation auf 4% nicht ausschließen und so geht es offenbar auch anderen Akteuren. Die von YouGov und der Citigroup erhobenen Inflationserwartungen weisen gegenwärtig auf Sicht von zwölf Monaten einen Wert von plus 4,1% auf.
Allerdings macht Goldman-Sachs-Volkswirt Kevin Daly darauf aufmerksam, dass sich dies bisher nicht in den Lohn- und Gehaltsforderungen der Angestellten zeigt. Seiner Ansicht nach spricht die voraussichtlich steigende Arbeitslosigkeit auch dagegen, dass die Beschäftigten ihre Forderungen in nächster Zeit voll durchsetzen können. Gleichwohl dürfte das MPC mit Sorge auf die Anfang 2009 beginnende Tarifrunde blicken, meint er.
Daly verweist darauf, dass die BoE im Inflationsbericht nicht nur die Inflationsprognose angehoben, sondern auch die Wachstumsprognose gesenkt hat. Die Reduzierung auf 1,0% von 1,6% Wachstum in den kommenden vier Quartalen sei nach historischen Maßstäben außerordentlich hoch und würde unter normalen Umständen deutliche Zinssenkungen nach sich ziehen. Damit sei auf der anderen Seite klar, dass die BoE derzeit auch kaum an Zinserhöhungen denken dürfte, argumentiert Daly.
Citigroup-Volkswirt Michael Saunders geht ebenfalls davon aus, dass die BoE trotz der hohen Inflationserwartungen und einer sinkenden Glaubwürdigkeit die Zinsen nicht erhöhen wird. Zum einen würde sie mit einer Zinserhöhung das Signal aussenden, dass ihr die Konjunktur egal sei, was die Wirtschaft in eine Rezession abgleiten ließe. Zum anderen resultiere ein Gutteil des Inflationsdrucks aus den Öl- und Nahrungsmittelpreisen, die die BoE mit ihrer Politik nicht beeinflussen könne, argumentiert Saunders.
An den Finanzmärkten wird dies aber offenbar anders gesehen. LIBOR-Futures preisen gegenwärtig für Jahresende eine Zinsanhebung um 25 Basispunkte ein.
-Von Hans Bentzien, Dow Jones Newswires, +49 (0)69 297 25 313, Hans.Bentzien@dowjones.com DJG/hab/apo (END) Dow Jones NewswiresJune 03, 2008 06:45 ET (10:45 GMT)
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