Badische Neueste Nachrichten: Eigentor

Karlsruhe (ots) - Die Bahn hat sich wieder einmal bis auf die Knochen blamiert: Diesmal sind es keine defekten Klimaanlagen, die in der Sommerhitze den Geist aufgeben oder eingefrorene Weichen, die im Winterfrost den Dienst quittieren, sondern es ist schlicht fehlende Personalplanung, die den Passagieren die Lust am Bahnfahren vergällt. Mainz ist dabei kein Einzelfall: Wie der Konzern inzwischen einräumt, ist die Personaldecke bundesweit zu kurz gestrickt. Fallen zusätzlich zu den Urlaubern Bahnmitarbeiter durch Krankheit aus, wird es eng - und dies nicht nur im Mainzer Stellwerk. Hartmut Mehdorn hat seinerzeit die Bahn auf Rendite-Kurs gebracht - auf Wunsch des Bundesverkehrsministers und der Bundesregierung. Aber glänzende Bilanzen, die dem Bund satte Dividenden einfahren, sind nicht alles. Während die Fernstrecken massiv ausgebaut wurden und in neue ICE-Trassen kräftig investiert wurde, blieb das Personal auf der Strecke. Mit immer weniger Leuten, sollte immer mehr Service geboten werden. Der Schaffner wurde zum Oberkellner, der die Fahrgäste (zumindest in der Ersten Klasse) auf Wunsch mit Kaffee und belegten Brötchen versorgte. Dass diese Rechnung auf Dauer nicht aufgehen konnte, dürfte nicht nur Kennern der Szene einleuchten. Auch außerhalb der Zugwaggons fehlt es inzwischen an geeigneten Mitarbeitern, die das Mammutunternehmen auf den Schienen halten. Die Konzernspitze legte das Hauptaugenmerk auf die prestigeträchtigen ICE-Züge, der weniger lukrative Regionalverkehr führte ein Schattendasein. Jetzt zieht die Bahnspitze die Reißleine und verspricht Neueinstellungen. Doch bis die zusätzlichen Kräfte einsatzbereit sind, dauert es. Der Leidtragende ist wieder einmal der Bahnkunde. Das Chaos ist kaum dazu geeignet, eingefleischte Autofahrer auch im Regionalverkehr auf die Schiene zu ziehen. Anstatt gegenüber der Autofahrer-Lobby mit Zuverlässigkeit und Schnelligkeit zu punkten, leistet sich die Bahn Eigentor um Eigentor.

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