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13.06.2013 22:38:58

Badische Neueste Nachrichten: Letzte Chance

Karlsruhe (ots) - Nach den scharfen Protesten hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan doch noch versucht, das Steuer herumzureißen. Bei einem Treffen mit Vertretern der Protestbewegung schlug er ein Referendum über die umstrittene Zukunft des Gezi-Parkes in Istanbul vor - nachdem er zuvor die Polizei in Istanbul auf die Demonstranten losgelassen hatte. Offenbar ist Erdogan zu dem Schluss gekommen, dass eine allzu harte Linie für ihn selbst von Schaden sein könnte. Sein Verhalten der letzten Tage war nicht nur schlecht für die Türkei im Innern, sondern auch für ihr Verhältnis zu Europa. Das hätte nicht sein müssen. Seit Tagen sagt Erdogan, er wolle mit den friedlichen Demonstranten sprechen, lehne aber Zugeständnisse an gewaltbereite Protestierer ab. An dieser Position wäre eigentlich nichts auszusetzen, aber der 59-jährige Premier muss sich fragen lassen, warum er fast gleichzeitig alle Demonstranten in die Nähe von Terroristen rückte. Erdogan setzte darauf, dass seine harte Haltung bei den Wahlen im nächsten Jahr belohnt wird. Am Wochenende startet seine Partei AKP offiziell in den Kommunalwahlkampf, außerdem will sich Erdogan im Sommer 2014 zum Präsidenten wählen lassen. Sein Kalkül läuft darauf hinaus, dass fast die gesamte Wählerschaft der AKP ein hartes Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten befürwortet. Hinzu kommen nationalistische Türken, die zwar normalerweise die Rechtspartei MHP wählen, den harten Erdogan-Kurs aber ebenfalls unterstützen. Nach seinem Gespräch mit den Demonstranten ließ Erdogan dann erklären, ein Referendum könne den Streit um den Gezi-Park klären - das hätte er schon letzte Woche sagen und damit viel Schaden von der Türkei abwenden können. Offenbar wollte er zuallererst seinen eigenen Anhängern klarmachen, dass er sich nicht irgendwelchen Krawallmachern beugen werde. Erst dann war er zur Verständigung bereit. Die Gewalt erschütterte das Bild der Türkei als muslimische Demokratie, als Beispiel für eine ganze Weltgegend. Wenn die Krise dadurch gelöst wird, dass das Volk in einem Referendum die Entscheidung hat, wird diese Modellfunktion gestärkt. Ob das auch für die Europa-Ambitionen der Türkei gilt, ist offen. Die EU hoffte bisher auf eine stabile demokratische Entwicklung am Bosporus und auf Fortschritte einer praktischen Zusammenarbeit jenseits der Frage, ob das Land eines Tages Mitglied der Europäischen Union sein wird oder nicht. Diese Frage der Mitgliedschaft ist wieder in weite Ferne gerückt. Erdogans Regierung sagt zwar, große Unruhen habe es auch in EU-Ländern schon gegeben, wie etwa in Griechenland, doch dieser Hinweis wird ihm in Europa kaum neue Türen öffnen. Die Eskalation der Gewalt lässt die vielen demokratischen Fortschritte des Landes in den vergangenen Jahren plötzlich als papierdünn und oberflächlich erscheinen.

Originaltext: Badische Neueste Nachrichten Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/104277 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_104277.rss2

Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de

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