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17.06.2016 15:42:39

Börse Frankfurt-News: Minuszinsen auch für zehn Jahre (Anleihen)

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 17. Juni 2016. Es war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik: Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen rutschte unter null Prozent. Ein Grund ist die Brexit-Angst.

Angesichts der andauernden Unsicherheit über die Brexit-Abstimmung am kommenden Donnerstag gilt weiter: Bloß kein Risiko. Der Aktienmarkt leidet, gesucht ist wieder "Solides" wie deutsche Staatanleihen. Die britischen Wettbüros halten einen Verbleib Großbritanniens in der EU zwar immer noch für wahrscheinlicher, die Zustimmungsraten sind aber gesunken.

Diese Woche rutschte die Rendite zehnjähriger deutscher Staatanleihen erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik in den Negativbereich. "Am Dienstag rentierten Bunds mit zehnjähriger Laufzeit (WKN 110239) in der Spitze mit minus 0,034 Prozent", berichtet Klaus Stopp von der Baader Bank. Am gestrigen Donnerstag ging es sogar noch weiter nach unten: Die zehnjährige Bundrendite erreichte ein neues Allzeittief von -0,038 Prozent. "Auch japanische Staatsanleihen rentierten rekordniedrig", ergänzt Sabine Tillmann von der Hellwig Wertpapierhandelsbank. Heute ist zumindest etwas Erholung angesagt: Die Rendite der zehnjährige Bundesanleihe liegt bei minus 0,001 Prozent. Der richtungweisende Euro-Bund-Future notiert am Freitagmittag bei 165,24 Punkten, vor einer Woche waren es 164,64 Prozent.

Peripherieländeranleihen abgestoßen

Die Aufstockung der bis Februar 2026 laufenden Bundesanleihe (WKN 110239) zur Wochenmitte verlief relativ zäh, wie Tillmann feststellt. "Die eingegangenen Gebote lagen nur bei 3,66 Milliarden Euro und erreichten damit nicht die angebotenen 4 Milliarden Euro." Die Emissionsrendite betrug 0,01 Prozent - ein ebenfalls historisch einmalig tiefer Wert.

Die europäischen Peripheriestaaten wurden eher abgegeben. "Die Kernstaaten sind gefragt. Bei Italien, Griechenland, Portugal und Spanien gab es Verluste", berichtet Arthur Brunner von der ICF Bank. Im Fall Spaniens hänge das auch mit den anstehenden Neuwahlen zusammen. "Generell wird aber ein Dominoeffekt nach einem Brexit-Entscheid befürchtet."

Fed zögert bei Zinserhöhung

Die Notenbanken rund um den Globus hielten in dieser Woche - auch wegen des Brexit-Risikos - die Füße still: Nach der US-Notenbank am Mittwoch beschlossen am gestrigen Donnerstag die japanische, die britische und die Schweizerische Notenbank, ihren geldpolitischen Kurs nicht zu verändern. Dass eine baldige US-Leitzinserhöhung wieder unwahrscheinlicher geworden ist, ließ auch die langfristigen US-Renditen fallen - zehnjährige Treasury-Renditen erreichten mit 1,56 Prozent sogar den tiefsten Stand seit 2012.

Der HSH Nordbank zufolge sind Brexit-Gefahr und zögerliche Fed-Geldpolitik nicht die einzigen Gründe für die Entwicklung hierzulande: "Pro Monat kauft die EZB gute 12 Milliarden Euro an Bundesanleihen auf, während im Durchschnitt 13 Milliarden neu emittiert werden", erläutert Cyrus de la Rubia. "Was bleibt da eigentlich noch für die privaten Investoren, zumal der Markt für Bundesanleihen aufgrund von Tilgungen Monat für Monat um 14 Milliarden Euro kleiner wird?" Außerdem kaufe die EZB nur Anleihen mit einer Rendite über dem negativen Einlagenzinssatz. "Ganz klar: Der Preis für dieses sich verknappende Finanzmarktinstrument muss steigen, und das bedeutet - es ist schlicht die andere Seite der Medaille - fallende Renditen."

Viele Anleger nutzen die hohen Kurse aber auch für Verkäufe. "Wir sehen hier nur Abgaben", berichtet Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank. Zugegriffen werde nur noch bei einer EIB-Anleihe (WKN A1HJSP). "Die Rendite liegt aber auch schon bei -0,25 Prozent. Wer das kauft, muss anderswo wohl einen noch höheren Strafzins bezahlen." Bei irischen (WKN A1ZUS5) und portugiesischen Anleihen kämen Anleger noch auf positive Renditen. "Bei Portugal sind es immerhin 2,2 Prozent für fünf Jahre und 3,35 Prozent für zehn Jahre." Um den Brexit macht sich der Händler übrigens keine allzu großen Sorgen: "Vieles ist schon eingepreist. Auch am kommenden Freitag wird die Sonne wieder aufgehen."

Hybridanleihen schwach

Der Handel mit Unternehmensanleihen hat sich nach dem Start des EZB-Ankaufsprogramms wieder etwas beruhigt, wie Brunner meldet. Unter Abgabedruck gerieten dem Händler zufolge VW-Hybridanleihen. "Das hat zum einen mit erneuten Meldungen über die Manipulation von Lärm- und Abgaswerten in Südkorea zu tun, zum anderen aber auch damit, dass Hybridanleihen von der EZB nicht aufgekauft werden." Diese würden daher derzeit tendenziell abgegeben.

Dass die Ratingagentur Standard & Poor`s die Bonität des Versorgers RWE um eine Stufe auf BBB- gesenkt hat, hat sich im Handel mit RWE-Anleihen (WKN A14KAB) Daniel zufolge nicht ausgewirkt. "Hier gab es keine Verkäufe." Die Aktie hatte am Dienstag zeitweise über 5 Prozent verloren.

Heftig Federn lassen mussten Anleihen des Agrarkonzerns KTG Agrar (WKN A1H3VN, A11QGQ), bereits seit Anfang vergangener Woche geht es rasant nach unten. Die am 6. Juni anstehende Zinszahlung auf die im Juni 2017 fällige Anleihe im Volumen von 250 Millionen Euro war verschoben worden. Dem Unternehmen zufolge hat sich lediglich der Verkauf von Assets, aus denen die Zinszahlung bestritten werden soll, verzögert, am Markt führte dies dennoch zu massiver Unsicherheit. Der Kurs der bis 2017 laufenden Anleihe, im Mai noch bei über 90 Prozent, liegt mittlerweile nur noch bei 16 Prozent, der der bis 2019 laufenden Anleihe bei 12 Prozent. In Mitleidenschaft gerieten auch Papiere der KTG Energie (WKN A1ML25), hier ist KTG Agrar Großaktionär.

Otto verkauft sich gut

Sehr gut an kommt eine neue Anleihe des Handelskonzerns Otto (WKN A2AAWQ) mit einem Kupon von 2,5 Prozent, Laufzeit bis Juni 2023 und Mindeststückelung von 1.000 Euro. "Das war unser Umsatzspitzenreiter", erklärt Brunner. Der erste Kurs lag bei 99,21 Prozent, jetzt sind es schon 100,14 Prozent, das drückt die Rendite auf 2,23 Prozent. Auch Rainer Petz von Oddo Seydler spricht von "riesen Umsätzen".

von: Anna-Maria Borse

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© 17. Juni 2016 - Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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