28.08.2015 22:42:37
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Börsen-Zeitung: Vor dem Realitäts-Check, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn
Denn zu einem Großteil haben sie keine Knie. Computerprogramme waren dafür verantwortlich, dass die Erstreaktion des Dow so heftig ausfiel. Ein immer größerer Teil des Handels wird von superschnellen Computern bestritten. Da sie mit Algorithmen gefüttert sind, die sich vielfach einander ähneln, entstehen immer häufiger Situationen, in denen in kürzester Zeit extrem hochvolumige gleichgerichtete Transaktionen zu explosionsartigen Marktbewegungen führen, deren Ausmaß in keiner Weise mit den die Bewegungen auslösenden Ursachen erklärt werden kann. Besonders drastisch wurde dies im zurückliegenden Jahr bereits vor Augen geführt, als die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen innerhalb weniger Minuten um 34 Basispunkte fiel. Erhöht werden diese Risiken dadurch, dass die Finanzbranche aufgrund regulatorischer Belastungen ihre Handelsbücher zusammengestrichen hat und somit die von ihr bereits gestellte Liquidität stark zurückgegangen ist.
Gewinnprognosen sinken
Am Schwarzen Montag des Jahres 2015 wurde Letzteres noch durch die Urlaubssaison verstärkt, durch die viele Marktteilnehmer abwesend sind. Jenseits eher technischer Faktoren spielten allerdings auch fundamentale Faktoren eine Rolle. Die Wachstumsverlangsamung und der Börsencrash in China sowie die Abwertung des Yuan, die Schwäche der Emerging Markets insgesamt, die Baisse der Rohstoffpreise und die Unsicherheit über die US-Leitzinswende verstärkten die latenten Rezessionsängste. Nach den deutlichen Kurssteigerungen der zurückliegenden Jahre wurde damit die Frage aufgeworfen, ob die erreichten Bewertungsniveaus an den Aktienmärkten in einem solchen Umfeld angemessen sein können, zumal die den Bewertungen zugrunde liegenden Schätzungen für die Unternehmensgewinne gefährdet erscheinen. In der Tat sind etwa die Gewinnprognosen für die Dax-Firmen für das laufende Jahr, die Anfang des Jahres nach oben gedreht hatten, in den zurückliegenden Wochen wieder ein wenig abgebröckelt. Zudem sinken die Erwartungen für das Wachstum der Weltwirtschaft. So hat am Freitag Moody's ihre Prognose für das Wachstum der G20-Staaten im kommenden Jahr von 3,1% auf 2,8% gesenkt.
Mit einer globalen Rezession hat dies allerdings nichts zu tun. Zwar schwächeln die Schwellenländer, in den nach wie vor gewichtigeren Industrieländern wird die Wirtschaft nach derzeitigem Stand jedoch auch im kommenden Jahr weiter wachsen. Trotz einer rapiden Zunahme in den zurückliegenden Jahren hält sich der Handel zwischen China und den USA sowie Europa immer noch insgesamt in Grenzen, konstatierte Moody's, die für die führende Wirtschaftsmacht USA im nächsten Jahr ein Wachstum von 2,6% (nach zuvor 2,8%) prognostiziert.
Die Rezessionsängste vieler Marktteilnehmer halten der Realität derzeit einfach nicht Stand, wie in der abgelaufenen Woche deutlich wurde. Reihenweise haben die in den Industrieländern veröffentlichten Daten nach oben überrascht, darunter die deutliche Aufwärtsrevision des US-BIP vom zweiten Quartal und der überraschend gestiegene Ifo-Index. Nachdem zwei US-Notenbanker erklärt hatten, dass aufgrund der aktuellen Unsicherheiten eine Leitzinserhöhung im September keine Priorität habe, erklärte der Präsident der St. Louis Fed, James Bullard, am Freitag, dass die Aussichten der amerikanischen Wirtschaft weiter gut aussähen und er eine Zinserhöhung in der Sitzung des Offenmarktausschusses Mitte September bevorzuge.
Damit steht mit den wichtigen Daten in der neuen Woche, darunter insbesondere mit dem US-Arbeitsmarktbericht, der große Realitäts-Check an - sowohl für die derzeitigen Rezessionsängste der Marktteilnehmer als auch für die Erwartungen für den Zeitpunkt des "Liftoff" des amerikanischen Leitzinses.
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