17.04.2016 17:26:39
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'Brexit'-Kämpfer Boris Johnson warnt Obama vor Heuchelei
LONDON/MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Londoner Bürgermeister und populäre "Brexit"-Befürworter Boris Johnson hat Barack Obama vor seinem Besuch in Großbritannien scharf attackiert. Er warnte den US-Präsidenten, sich Ende der Woche in London für einen Verbleib Großbritanniens in der EU stark zu machen. Dies wäre "nackte Heuchelei", die Amerikaner "würden nicht im Traum daran denken, Souveränität abzugeben", meinte Johnson in einem BBC-Interview.
Noch ist zwei Monate Zeit bis zum historischen EU-Referendum in Großbritannien - doch der Ton wird schon spürbar schärfer. Ex-Minister Kenneth Clark brachte gar den Rücktritt von Premierminister David Cameron ins Spiel - falls sich die Briten bei der Abstimmung am 23. Juni von der EU verabschieden sollten.
"Der Premierminister würde keine 30 Sekunden im Amt bleiben, falls er das Referendum verliert", sagte der Parteifreund Camerons in einem Interview. Und die konservative Tory-Partei würde gleich mit in die Krise taumeln, warnte Clark.
Das Thema "Brexit" (EU-Austritt) spaltet die Briten wie kein anderes Thema - zugleich ist es ein heißes Eisen beim Obama-Besuch kommenden Freitag und Samstag. Washington macht zwar einerseits keinen Hehl daraus, dass er den Verbleib Großbritanniens in der Gemeinschaft favorisiert - anderseits muss sich der Präsident als Gast zurückhalten und um Neutralität bemühen.
"Alle profitieren davon, wenn die EU mit einer Stimme spricht", sagte etwa ein enger Obama-Vertrauer in Washington im Vorfeld der Reise. Doch die Entscheidung sei Sache der Briten, fügte er hinzu.
Fest steht: Wenn er nicht in ein diplomatisches Fettnäpfchen treten will, muss Obama einen echten politischen Spagat hinlegen. Am kommenden Freitag besucht er die 90-jährige Königin Elizabeth II. auf Schloss Windsor zu einem "privaten Mittagsessen", wie es im Palast heißt. Zudem trifft er Cameron, am Samstag ist ein "Town Hall Meeting" vorgesehen. "Brexit" dürfte das dominierende Thema sein.
Die Spannung vor dem Votum steigt nicht zuletzt, weil der Ausgang nach wie vor völlig unklar ist. Austritts-Befürworter und EU-Freunde stehen sich laut Umfragen noch immer mehr oder minder gleichauf gegenüber. Ein "Brexit Poll Tracker" der "Financial Times" spricht von 43 Prozent EU-Befürwortern und 42 Prozent Austrittswilligen.
Dabei haben diejenigen, die für den Verbleib plädieren, jüngst starke Rückendeckung bekommen. Der Internationale Währungsfonds IWF warnte bei seiner Frühjahrstagung in Washington ganz entschieden vor einem Austritt - "Brexit" wäre eines der größten Risiken für die Weltwirtschaft.
"Ein "Brexit" kann zu erheblichen regionalen und weltweiten Schäden führen, indem er traditionelle Handelsbeziehungen unterbricht", sagte IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld.
Auch Ifo-Präsident Clemens Fuest sieht der Abstimmung mit großer Sorge entgegen. "Deutschland wäre wahrscheinlich der größte Verlierer eines Brexit, abgesehen von Großbritannien selbst", sagte der neue Ifo-Präsident der Deutschen Presse-Agentur. Großbritannien sei der drittwichtigste Exportmarkt für Deutschland, mit einem Volumen von 90 Milliarden Euro: "Ein Austritt trifft die gesamte deutsche Industrie." Vor allem aber würde sich die Europäische Union massiv zum Nachteil Deutschlands verändern, meint Fuest./pm/DP/he
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