09.12.2012 13:31:31
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Bundesbank-Präsident fordert für Bankenaufsicht Änderung der EU-Verträge - Interview
Für die geplante Ansiedlung der Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank fordert Bundesbank-Präsident Jens Weidmann eine aufwendige Änderung der EU-Verträge. Ziel müsse es sein, Interessenkonflikte zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht zu vermeiden, sagte Weidmann im Interview mit der Welt am Sonntag. "Ich sehe nicht, wie das auf der vorgesehenen rechtlichen Basis zur Übertragung der Aufsichtskompetenzen an die EZB möglich ist. Eine rechtlich saubere Lösung erfordert meines Erachtens eine Änderung der EU-Verträge."
Bislang hatte die EU-Kommission geplant, den Artikel 127 des EU-Vertrages zu nutzen, der es erlaubt, der EZB ohne Vertragsänderung "besondere Aufgaben" zu übertragen. In diesem Fall müsste nach Ansicht von Juristen das letztliche Entscheidungsrecht in der Aufsicht beim EZB-Rat liegen, der auch über die Geldpolitik bestimmt. Zuletzt hatte jedoch auch die Bundesregierung immer deutlichere Bedenken geäußert, ob diese Grundlage ausreicht, um der Notenbank die gesamte Hoheit über die Bankenaufsicht zuzuschlagen.
Eine Änderung der EU-Verträge würde zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen und den Start der Bankenaufsicht weiter verzögern. Weidmann plädiert dennoch für diesen Weg. "Wenn die Politik die Bankenunion wirklich will, kann sie die notwendigen Entscheidungsprozesse zügig vorantreiben", sagte er. "Bis dahin fände die Aufsicht wie bisher in nationaler Verantwortung statt." Ohnehin werde die europäische Bankenaufsicht im kommenden Jahr ihre Arbeit noch nicht aufnehmen können.
Im Unterschied zum Bundesbank-Präsidenten gibt sich Finanzminister Schäuble zuversichtlich, dass in den nächsten 14 Tagen die Grundlagen für eine EU-Bankenaufsicht geschaffen werden können. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir noch vor Weihnachten die rechtlichen Grundlagen für eine Bankenaufsicht schaffen", sagte er der Bild am Sonntag. "Deswegen treffen wir uns ja am Donnerstag schon wieder in Brüssel."
Mit dem Aufbau dieser Aufsicht könnte nach den Worten Schäubles dann 2013 begonnen werden. Ganz wichtig sei dabei allerdings, dass an der Unabhängigkeit der EZB kein Zweifel aufkommt, unterstrich er. "Diese kann sich aber nur auf die Geldpolitik beziehen. Demgegenüber muss eine Bankenaufsicht demokratisch legitimiert und rechtlich kontrolliert sein. Die Lösung dieses Gegensatzes ist der Kern des Problems."
Mit Blick auf das geplante Programm zum unlimitierten Kauf von Staatsanleihen durch die EZB (OMT) verteidigte Weidmann im Interview mit der Welt am Sonntag erneut seine abweichende Haltung im EZB-Rat. "Persönlich sehe ich mich keineswegs im Abseits", sagte er. "Wir treffen Entscheidungen, die uns in den Grenzbereich unseres Mandates führen - da eine einheitliche Meinung zu erwarten, halte ich für abwegig."
Das OMT-Programm sei seitens seiner Befürworter der ernsthafte Versuch, die Mittel der Notenbank nur dann einzusetzen, wenn gleichzeitig die Probleme in den Krisenländern an der Wurzel angepackt würden. "Aber die Notenbank begibt sich damit meiner Ansicht nach zu sehr in die Nähe der monetären Staatsfinanzierung und trifft Verteilungsentscheidungen, die in die Hände der dafür gewählten Politik gehören", führte Weidmann aus. Auch die Frage des Ausstiegs für den Fall, dass ein Land die Auflagen nicht erfülle, sei ein ungelöstes Problem.
Zudem bekräftigte Weidmann in dem Interview die Warnungen der Bundesbank vor möglichen Übertreibungen am deutschen Immobilienmarkt. "Fakt ist: Der deutsche Immobilienmarkt ist mittlerweile regional angespannt. In Ballungsgebieten wie Frankfurt oder München sind die Preise deutlich gestiegen", sagte Weidmann. Dieser Preisanstieg hänge mit einer Vielzahl von Faktoren zusammen und die günstigen Finanzierungsbedingungen seien einer davon.
Gleichzeitig trat Weidmann Kritikern entgegen, die der Notenbank vorgeworfen hatten, sie schüre mit Warnungen vor einer Immobilienblase unnötige Panik. "Wir weisen zwar auf einen beschleunigten Preisanstieg hin, insbesondere in Ballungsgebieten. Aber wir sprechen noch nicht von einer Blase und betreiben erst recht keine Panikmache", sagte er. Zu einer Blase gehöre, dass die Immobilienkredite rasant wachsen, was aber nicht der Fall sei. Außerdem müsse man auch die im internationalen Vergleich sehr gedämpfte Entwicklung des deutschen Immobilienmarktes im vergangenen Jahrzehnt berücksichtigen, um das Gesamtrisiko zu bewerten.
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December 09, 2012 07:00 ET (12:00 GMT)
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