01.07.2018 22:36:42
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CDU und CSU balancieren auf dem Drahtseil
BERLIN (Dow Jones)--Der Streit der Schwesterparteien CDU und CSU um die richtige Asylpolitik spitzt sich gefährlich zu und könnte mit einem Bruch der großen Koalition enden. Bei Sitzungen in München und Berlin tagen die Führungsgremien beider Parteien seit Stunden. Teilnehmer berichten von verhärteten Positionen. Deutschland steht am Abgrund einer Staatskrise.
CSU-Chef Horst Seehofer beurteilt die Beschlüsse des EU-Gipfels zur Begrenzung der Migration nach Europa als nicht "wirkungsgleich" mit den von ihm favorisierten schärferen Grenzkontrollen, wie ein Teilnehmer gegenüber Dow Jones Newswires berichtete. Andere Medien melden ebenfalls die kritische Einschätzung des Bundesinnenministers. Ein Gespräch mit Merkel am Samstagabend qualifizierte der 68-Jährige im CSU-Vorstand als wirkungslos.
Die geplante Pressekonferenz mit ihm verschiebt sich seit Stunden immer weiter nach hinten. Wann genau er vor die Kameras tritt, ist noch unklar. Seehofer könnte in seiner Kompetenz als Bundesinnenminister die Polizei anweisen, bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge abzuweisen. Für den Fall seines Alleinganges hat ihm Merkel indirekt mit Entlassung gedroht.
Kanzlerin hält trotz allem an Bündnis mit CSU fest
Im Interview mit dem ZDF hatte Merkel zuvor ungeachtet der seit Wochen laufenden Angriffe auf ihre Politik für die Fraktionsgemeinschaft mit den Christsozialen plädiert. "Ich möchte, dass CDU und CSU gemeinsam weiterarbeiten. Wir sind eine Erfolgsgeschichte für Deutschland", sagte Merkel. Sie sprach gleichzeitig davon, dass es um die Union aus CDU und CSU schwierig bestellt sei. "Jeder spürt natürlich, dass viel im Raum steht, dass es ernst ist", mahnte die Kanzlerin. Sie bestand darauf, dass Alleingänge Deutschlands an der Grenze mit ihr nicht zu machen seien.
Ihre Partei gab ihr dafür Rückendeckung. Nach Angaben von EU-Kommissar Günther Oettinger stellte sich die CDU voll hinter ihren Kurs. "Für die CDU bleibt das die Grundlage, was die Kanzlerin in den vergangenen Wochen auf europäischer Ebene ausgehandelt hat", sagte er der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten".
Der thüringische CDU-Chef Mike Mohring appellierte am Abend an die Schwesterpartei, den Streit nicht eskalieren zu lassen. "Ein Bruch der Unionsfraktion kann keine Option sein", sagte er dem Sender N-TV. Das wüssten auch alle in der CSU. Den Krach innerhalb der Union nannte er unnötig "wie ein Kropf". Der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins (CDU), Daniel Günther, rief die Christsozialen auf, sich am Riemen zu reißen.
Der CSU-Abgeordnete Michael Kuffer kündigte für den späten Abend einen Beschluss an. "Wir machen uns die Entscheidung nicht leicht - das zeigt die Dauer der Aussprache. Aber die Entscheidung wird klar sein", schrieb der Politiker auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com
DJG/chg
(END) Dow Jones Newswires
July 01, 2018 16:37 ET (20:37 GMT)
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