08.11.2012 17:13:30

Deutsche Industrie geht in Energiewende auf Konfrontationskurs

   Von Beate Preuschoff

   BERLIN--Die deutsche Industrie geht in Sachen Energiewende auf Konfrontationskurs zur Politik. Die Drohkulisse, die Industriepräsident Hans-Peter Keitel auf dem BDI-Energiewende-Kongress gegenüber der Politik aufbaute, ist gewaltig: Da ist nicht allein die Rede davon, dass Unternehmen ins Ausland verlagert und damit Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut werden könnten. Es drohe auch der Zusammenbruch der "international einzigartigen Wertschöpfungsketten in Deutschland", wenn es der Politik nicht endlich gelinge, die explodierenden Kosten des Umbaus in den Griff zu bekommen, richtete Keitel seine Warnung an die im Auditorium sitzenden Minister Peter Altmaier (CDU) für Umwelt und Philipp Rösler (FDP) für Wirtschaft.

   "Wir können uns hier auf lange Sicht aus dem Wettbewerb schießen, wenn wir es nicht vernünftig angehen", setzte Keitel seine Warnungen fort. Die Wirtschaftlichkeit der Energiewende sei bereits jetzt "akut" gefährdet. Als eine Ursache dafür benennt Keitel die Konzeptionslosigkeit bei der Energiewende. Die Bundesregierung habe viele Einzelziele verkündet, ohne anfangs ein konsistentes Gesamtbild vor Augen zu haben. Diese energiepolitische Flickschusterei laufe einander teilweise zuwider.

   "Wir können es uns nicht leisten, eine Flickschusterei so weiterzuführen", bemängelte der BDI-Präsident. Denn sonst werde die Energiewende noch komplexer und teurer. Investoren würden verunsichert. Die Politik müsse sich dringend um die wirtschaftliche Gesamteffizienz ihrer Maßnahmen kümmern, verlangte Keitel. "Nur so ufern die Kosten nicht weiter aus, lassen sich Zeitpläne einhalten und die Akzeptanz der Bevölkerung sicherstellen", sagte der BDI-Präsident.

   Ohne ein Gesamtkonzept drohten die Kosten in den kommenden Jahren zu explodieren. Nach den jetzt geplanten Szenarien würden die Kosten um mehr als ein Viertel gegenüber heute steigen, von rund 48 Milliarden Euro derzeit auf 61 Milliarden Euro im Jahr 2022, sagte Keitel. Priorität müsse deshalb der Blick auf die Gesamtkosten haben. Die Politik müsse sich außerdem von einigen alten Zielen verabschieden, wie etwa dem, den Stromverbrauch bis 2020 um zehn Prozent zu senken.

   Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) müsse sofort reformiert werden, verlangte der BDI-Präsident. Ein Kongressteilnehmer wurde im Gespräch deutlicher: Das EEG müsse weg. Über Anpassungen zu reden, mache wenig Sinn. Das sei, als wenn man vor einem Feuer stehend anfange, über die Vor- und Nachteile des Feuers zu reden, statt es zu löschen, ereiferte sich der Kongressteilnehmer.

   Und auch der BDI-Präsident wurde deutlich: Änderungen am EEG könnten nicht bedeuten, bestehende Entlastungen für die energieintensive Industrie zurückzunehmen. Die seien "unverzichtbar", wenn der Fortbestand der Industrie in Deutschland, insbesondere der Wertschöpfungsketten, nicht gefährdet werden solle.

   "Wer glaubt, dass er bei diesen Entlastungen Geld sparen kann oder anders verteilen möchte, der wird all dieses als Beiträge wiederfinden - und zwar im Sozialsystem", sagte Keitel. Die Entlastungen beträfen nur eine sehr begrenzte Zahl von Unternehmen. Statt sich mit Verteilungskämpfen zu beschäftigen, sollte sich die Politik besser um Kosteneffizienz im Gesamtsystem kümmern.

   Den schwarzen Peter in Sachen Energiewende ließen sich die anwesenden Minister Altmaier und Rösler allerdings nicht so einfach zuschieben. Auf Keitels Warnungen und Drohungen reagierten sie mit Beschwichtigungen, stellten die Größe des Gesamtprojektes heraus, an dessen Anfang man stehe, und verwiesen auf die bereits erzielten Fortschritte etwa beim Netzausbau. Und sie machten klar, dass sie die Verantwortung für den Erfolg den Umbau der Energieinfrastruktur keinesfalls vor allem bei der Politik sehen, auch wenn diese die Entscheidung zur Energiewende getroffen habe. Es sei eine zutiefst wirtschaftliche Aufgabe, die Energiewende umzusetzen, sagte Rösler.

   Doch noch etwas führte der Auftritt der beiden Minister wieder einmal vor Augen: der offenbar fehlende rote Faden für dieses wichtigste innenpolitische Projekt der schwarz-gelben Regierung. Zwar beteuerte Altmaier, "alles gemeinsam" mit Rösler zu machen und keineswegs mit ihm über Kreuz zu liegen.

   Doch dann lieferten die beiden Minister gleich wieder ein Beispiel ihrer fehlenden konzeptionellen Übereinstimmung. Auch wenn die schwarz-gelbe Koalition Anfang der Woche beschlossen hat, das EEG grundsätzlich zu reformieren und dabei die Steuerrabatte für energieintensive Unternehmen zu überprüfen, liegen Altmaiers und Röslers Vorstellungen dazu weit auseinander.

   Rösler forderte erneut, Deutschland müsse bei der Förderung des Ökostroms aus der Planwirtschaft heraus, während Altmaier warnte, zu sehr auf marktwirtschaftliche Lösungen zu setzen. Vor diesem Hintergrund lässt das von der Industrie geforderte Gesamtkonzept der Bundesregierung zur Energiewende vermutlich noch länger auf sich warten.

   Kontakt zum Autor: beate.preuschoff@dowjones.com

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