08.10.2015 17:05:08

EU setzt in Flüchtlingskrise auf Abschreckung durch Abschiebungen

   LUXEMBURG (AFP)--Schutzbedürftige ja, Wirtschaftsflüchtlinge nein: Die EU setzt in der Flüchtlingskrise auf mehr und schnellere Abschiebungen. Die EU-Innenminister verabschiedeten am Donnerstag einen zehnseitigen Plan, der unter anderem gemeinsame Abschiebeflüge und Anreize für Herkunftsstaaten in Afrika, Nahost oder Asien vorsieht, ihre geflüchteten Bürger wieder aufzunehmen. Erklärtes Ziel der verstärkten Abschiebungen ist auch die Abschreckung.

   "Wir müssen diejenigen schützen, die internationalen Schutz brauchen", sagte Luxemburgs Außen- und Migrationsminister Jean Asselborn als Vertreter der amtierenden EU-Ratspräsidentschaft. "Diejenigen, die dies nicht brauchen, müssen in ihre Herkunftsländer zurückkehren." Konsequente Abschiebungen seien "die andere Seite der Medaille" der EU-Flüchtlingspolitik. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich schon vor dem Treffen ähnlich. "Rückführung ist immer hart, das ist so", sagte er.

   Die EU hat bereits beschlossen, 160.000 Flüchtlinge insbesondere aus den stark belasteten Ankunftsländern Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten zu verteilen - am Freitag sollen nun erstmals 20 Eritreer von Italien nach Schweden gebracht werden. In Frage kommen dabei nur Menschen mit einer hohen Chance auf Asyl. Eindeutige Wirtschaftsflüchtlinge sollen schon in Hotspots genannten Aufnahmezentren identifiziert und schnellstmöglich abgeschoben werden.

   Die EU will nun 700 Beamte aus den anderen Mitgliedstaaten bereit stellen, um stark belastete Aufnahmeländer bei der Aufgabe zu unterstützen. Deutschland sagte in Luxemburg die Entsendung von 50 Experten zu.

   Tatsächlich werden derzeit nach Angaben der EU-Kommission weniger als 40 Prozent der Menschen abgeschoben, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Für die Europäer geht es aber angesichts der stark gestiegenen Flüchtlingszahlen auch um ein deutliches Zeichen an alle, die noch vorhaben, sich auf den Weg zu machen: "Erhöhte Rückführungsquoten sollen als Abschreckung gegenüber irregulärer Einwanderung wirken", heißt es in dem Beschluss.

   Auf Kritik stieß schon im Vorfeld, dass auch die Möglichkeit geprüft wird, Menschen in Nachbarländer von Krisenstaaten zurückzuschicken. Damit werde "das Recht auf Schutz und Asyl ausgehebelt", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der Nachrichtenagentur AFP. Er befürchtet, dass damit auch Syrer, die derzeit ohne Weiteres in der EU als schutzbedürftig anerkannt werden, in Lager in Nachbarstaaten wie Jordanien, dem Libanon oder der Türkei zurückgebracht werden könnten.

   De Maizière stellte sich unterdessen hinter das EU-Vorhaben, die Zahlung von Wirtschafts- und Entwicklungshilfe abhängig von der Bereitschaft der Länder zur Rücknahme ihrer Staatsbürger zu machen. "Es sollte eine feine Balance aus Anreizen und Druck genutzt werden, um die Zusammenarbeit mit Drittstaaten bei der Wiederaufnahme und Rückführung zu verbessern", heißt es in dem Beschluss.

   Diskutiert wurde auch über eine mögliche gemeinsame Sicherung der EU-Außengrenzen über eine Ausweitung des Mandats für die EU-Grenzbehörde Frontex - doch einige Mitgliedsländer fürchten um ihre Souveränität.

   Keinen Durchbruch gab es wie erwartet bei den Plänen für eine EU-weite Liste mit sicheren Herkunftsländern. Sie könnte die europäischen Asylsysteme entlasten und schnellere Abschiebungen ermöglichen. Bisher gibt es laut Diplomaten in Bezug auf die Türkei bei mehreren Ländern, darunter Deutschland, Bedenken wegen der Lage der Presse- und Meinungsfreiheit sowie wegen des wieder aufgeflammten Kurdenkonflikts. Nach Vorschlag der EU-Kommission sollen auf der Liste auch sechs Staaten des Westbalkans stehen: Albanien, Bosnien und Herzegowina, das Kosovo, Montenegro, Mazedonien und Serbien.

   Nach dem Treffen der Innenminister folgt am Abend (18.00 Uhr) eine Konferenz zur sogenannten Westbalkanroute, über die zuletzt besonders viele Flüchtlinge in die EU kamen. An ihr nehmen die Innen- und Außenminister der EU sowie Vertreter der Westbalkanstaaten, der Türkei sowie aus Jordanien und dem Libanon teil.

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

   DJG/smh

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   October 08, 2015 10:33 ET (14:33 GMT)- - 10 33 AM EDT 10-08-15

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