20.12.2013 17:40:30
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Finanzmarktpläne der Großen Koalition: Details noch Fehlanzeige
Von Andreas Kißler
BERLIN--Die Große Koalition hat sich zum Finanzmarkt in der neuen Legislaturperiode viel vorgenommen - aber die konkreten Details müssen erst noch festgelegt werden. Fest steht: Union und SPD wollen eine weitere Regulierung des Finanzmarktes vorantreiben und gleichzeitig die bisher beschlossenen Gesetze auf ihre Wirksamkeit und ungewollte Wechselwirkungen überprüfen. Das haben CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag so beschlossen. Doch für die Umsetzung konkreter Maßnahmen lässt der Vertrag noch viel Spielraum.
Jetzt kommt es vor allem auf die Finanzpolitiker von Union und SPD an, die in zähen Verhandlungsrunden die Details ausarbeiten müssen. Dabei wird es weniger um grundsätzliche Differenzen gehen als darum, die komplizierte Materie zu beherrschen und das Kind bei der Regulierung nicht mit dem Bade auszuschütten.
Noch ist aber unklar, welche Gesetzesvorhaben von der neuen Regierung im neuen Jahr mit Priorität vorangetrieben werden sollen. Dazu beginnen jetzt erst die Abstimmungen im Haus von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), das entsprechende Vorschläge ausarbeiten muss. Erste Planungen dürften sich frühestens ab Mitte Januar konkretisieren, hieß es. "Nach der ersten Plenarwoche weiß man sicher mehr", wurde in Koalitionskreisen betont. Dann erst hätten sich die Fachpolitiker in den zuständigen Ausschüssen konstituiert und würden den Fahrplan diskutieren.
Ein Vorhaben steht schon fest: Die in der vergangenen Legislaturperiode ergriffenen Regulierungsmaßnahmen sollen auf ungewollte Wirkungen überprüft werden. "Im Übrigen werden wir das Zusammenwirken von Regulierungsmaßnahmen gemeinsam mit der BaFin auf Praktikabilität und Zielgenauigkeit überprüfen", kündigten Union und SPD an. "Die Notwendigkeit dazu besteht", betonte ein Koalitionär.
Finanzmarktfragen werden im Bundestag traditionell in der Regel von einer breiten Mehrheit der Fachpolitiker getragen, sind erst einmal die oft technischen Details ausverhandelt. Dies wird umso mehr gelten, als die beiden großen Fraktionen nun ihre Vorstellungen gemeinsam durchsetzen können. Dennoch müssen sich die einzelnen Fachpolitiker erst aneinander gewöhnen und manche Kontroverse aus der Vergangenheit begraben.
Besonders für die Unionsfinanzer dürfte dies einen Rollenwechsel bedeuten: Waren sie in der schwarz-gelben Koalition eher die treibende Kraft der Regulierung, die oft mit Bedenken der FDP gegen zu viel Staatseinfluss zu kämpfen hatten, könnten sich die Abgeordneten von CDU und CSU nun gegenüber ihren SPD-Kollegen plötzlich in der Rolle des Bremsers wiederfinden.
Der Koalitionsvertrag spiegelt in vielen Punkten eher sozialdemokratische Positionen wieder. "Risiko und Haftung müssen wieder zusammengeführt werden", heißt es dort, was in dieser Allgemeinheit immer schon beide Seiten unterschreiben konnten. Um künftigen Krisen vorzubeugen, sollen nach dem Willen der Großen Koalition Spekulationen zurückgedrängt werden.
Einsetzen wollen sich Union und SPD in diesem Zusammenhang vor allem für eine europäische Umsetzung der Trennbanken-Vorschläge des finnischen Notenbankgouverneurs Erkki Liikanen, mit denen riskante Geschäfte der Banken in Europa eingeschränkt werden sollen. Vorgesehen ist dabei die Einführung von Beleihungsobergrenzen bei Immobilienkrediten und eine striktere Trennung von Investment- und Geschäftsbanking. Aus der SPD-Fraktion hieß es, dies könnte eine Änderung des erst dieses Jahr beschlossenen deutschen Trennbankengesetzes bedeuten.
Die Große Koalition legt allerdings Wert darauf, die Funktion der Universalbanken als Finanzierer der zu weiten Teilen mittelständischen Wirtschaft nicht zu gefährden. "Die Finanzierung der Realwirtschaft durch das bewährte Universalbankensystem darf durch das Reformvorhaben nicht gefährdet werden", heißt es in dem Koalitionsvertrag.
Zudem treten Union und SPD "für eine Eindämmung der Rohstoff- und Nahrungsmittelspekulation ein" und befürworten deshalb insbesondere die Einführung von Positionslimits auf den Rohstoffmärkten. Die europäischen Vorschriften zur Regulierung des Derivatehandels sollen nach ihrem Willen "zielgerichtet ergänzt werden, um den transparenten Handel auf geregelten Börsen und Handelsplätzen zu stärken und der Entstehung systemischer Risiken entgegen zu wirken".
Die auf europäischer Ebene vorgesehene strengere Regulierung des Hochfrequenzhandels unterstützt die Regierungskoalition ausdrücklich. Auch soll nach ihrem Willen eine Finanztransaktionssteuer "mit breiter Bemessungsgrundlage und niedrigem Steuersatz" zügig in den Verhandlungen von elf europäischen Staaten umgesetzt werden. Das sind Punkte, die die SPD durchgesetzt hat.
Seit langem einig sind sich die Koalitionäre, dass sie den Einfluss der Ratingagenturen beschränken wollen. In ihrem Koalitionsvertrag gehen sie aber noch einen Schritt weiter. "Die Bundesregierung wird sich für eine effektive Anwendung der zivilrechtlichen Haftungsregelungen für Ratingagenturen einsetzen und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Ratingagenturen fördern", kündigen sie an. "Wir wollen die Rechtsnormen reduzieren, die eine Einschaltung der drei großen Ratingagenturen vorschreiben." Nach dem Willen der Großen Koalition soll allgemein die Bedeutung externer Ratings reduziert werden.
Ausdrücklich bekennen sich CDU, CSU und SPD zum dreisäuligen deutschen Bankensystem und zur Struktur der nationalen Bankenaufsicht. "Das besondere deutsche Modell mit Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken hat in der Finanzkrise zur Stabilität beigetragen", heißt es im Koalitionsvertrag. "Wir wollen es sichern."
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) soll nach dem Willen der Koalitionäre bei der Europäischen Bankenaufsicht Sorge dafür tragen, dass "die Besonderheiten von einzelnen Banken" wie der deutschen Förderbanken berücksichtigt werden. Die BaFin soll künftig zudem den Vertrieb komplexer und intransparenter Finanzprodukte beschränken oder verbieten können, die die Finanzmarktstabilität gefährden oder unverhältnismäßige Risiken für Anleger bedeuten.
Die Große Koalition will auch auf das derzeitige Niedrigzinsumfeld reagieren und Maßnahmen zur Stabilisierung von Versicherungen treffen. "Wir wollen Lösungsvorschläge zum Umgang mit den Folgen eines lang anhaltenden Niedrigzinsumfeldes erarbeiten und im Interesse der Versichertengemeinschaft geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Risikotragfähigkeit und Stabilität der Lebensversicherungen treffen", erklärten CDU, CSU und SPD.
Schäuble hat bereits angekündigt, er wolle einen weiteren Anlauf zur Neuregelung der Bewertungsreserven der Lebensversicherer starten, nachdem eine von der alten Regierung geplante Kürzung der Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven in der abgelaufenen Legislaturperiode scheiterte. Doch auch gegen einen neuen Versuch deuten sich bereits Widerstände im Bundesrat an. Von den Grünen hieß es, sie würden dann möglicherweise auch eine Kürzung der Auszahlungen an die Aktionäre verlangen.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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December 20, 2013 11:24 ET (16:24 GMT)
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