19.07.2015 15:53:45
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Gabriel: Verhandlungen richtig - Grexit-Debatte falsch
Von Stefan Lange
BERLIN (Dow Jones)--Vizekanzler Sigmar Gabriel sieht gute Chancen auf erfolgreiche Verhandlungen mit Griechenland über ein drittes Hilfspaket. Als Gründe nannte der Bundeswirtschaftsminister am Sonntag im ZDF-Sommerinterview eine geänderte Politik der Europäischen Union sowie die neue Regierung in Athen. Gleichzeitig erneuerte der SPD-Vorsitzende seine Kritik an den Grexit-Äußerungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Er habe von dessen Vorstoß zunächst nichts gewusst, kritisierte Gabriel.
Ein Erfolg der Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket werde "sehr davon abhängen, ob es uns gemeinsam mit der griechischen Regierung gelingt, die Reformmaßnahmen in Griechenland umzusetzen und die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass das ein Weg ist, wo Griechenland sich selbst behaupten kann und nicht dauerhaft zum Almosenempfänger wird", sagte Gabriel.
"Ich glaube, dass wir zum ersten Mal eine Chance haben, weil auch die Politik der Europäischen Union sich geändert hat", sagte Gabriel. Früher habe immer das Spardiktat an erster Stelle gestanden. "Damit ist die Wirtschaft in Griechenland noch kaputtgespart worden", sagte Gabriel. Jetzt gebe es Wachstumsprogramme und Investitionen.
Kritik an Deutschland unfair
Das Wichtigste sei aber, dass sich das Land ändern müsse, sagte Gabriel. "Es gibt viel zu viel Korruption, Nepotismus (Vetternwirtschaft), Klientelwirtschaft." Die Regierung von Alexis Tsipras habe dabei einen großen Vorteil: "Sie ist nicht Teil dieses alten Systems."
Nach harten Verhandlungen hatten sich die Euro-Staaten am vergangenen Wochenende auf Gespräche über ein drittes Griechenland-Paket geeinigt. Der Bundestag stimmte am Freitag in einer Sondersitzung zu. Über die Dauer der Verhandlungen kann derzeit nur gemutmaßt werden. Politiker in Berlin gehen von mindestens sechs bis acht Wochen aus.
Kritik aus dem Ausland an der angeblich harten deutschen Haltung bei den Verhandlungen wies der Vizekanzler zurück. "Ich glaube, dass das eine unfaire Beurteilung ist", sagte er. Deutschland übernehme einen großen Teil der Risiken bei der Griechenland-Rettung. Bisher habe man nichts bezahlen müssen, aber Deutschland gehe ins Risiko. Die Kritik sei da "eine Momentaufnahme", meinte Gabriel. Wenn sich zeige, dass die Reformen umgesetzt würden, "dann wird sich zeigen, dass der Weg richtig ist".
"Davon wussten wir gar nichts
Gabriel erneuerte im Interview seine Kritik an Schäuble, der noch vor den finalen Verhandlungen vergangenes Wochenende in Brüssel einen zeitweisen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone ins Spiel gebracht hatte. Schäuble habe am Freitag (10. Juli) um 16 Uhr den Vorschlag für einen zeitlich begrenzten Grexit in die Verhandlungen eingebracht, erklärte der SPD-Chef. "Davon wussten wir gar nichts."
Er sei am Samstagmorgen dann von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel "sehr allgemein" darüber informiert worden, sagte Gabriel. Der SPD sei immer klar gewesen, dass der Vorschlag keine Chance habe, weil er in der Bundesregierung nur für den Fall erörtert worden sei, dass Griechenland selbst einen Grexit beantrage. Das sei aber nicht der Fall gewesen.
Für die Sozialdemokraten habe es stets eine Bedingung gegeben: "Was immer rauskommt, Frankreich muss dabei sein", sagte Gabriel. Deshalb habe er es auch nicht für klug gehalten, diesen Vorschlag als deutschen Vorschlag einzubringen. "Das ist etwas, was ich jedenfalls nicht gemacht hätte", sagte er. Jetzt zähle aber, "dass am Ende das Ergebnis stimmt".
"Grexit-Debatte ist falsch
Dass die Debatte über einen Grexit aber nun weitergehe, halte er für falsch, sagte Gabriel mit Blick auf Schäuble, der seine Grexit-Forderungen auch nach dem Gipfel von Brüssel mehrfach wiederholt hatte. Die Griechen hätten sich zu dem bekannt, was man immer von ihnen verlangt habe. "Und jetzt müssen wir das auch zum Erfolg bringen."
Schäuble habe die SPD gegen sich aufgebracht, kritisierte Gabriel. Der Finanzminister habe gewusst, dass die Sozialdemokraten nur für einen einzigen Fall bereit gewesen wären, über einen Grexit zu reden, nämlich "wenn die Griechen das selbst wollen". Diesen Vorschlag als deutschen Vorschlag einzubringen, "war aus meiner Sicht nicht vernünftig", bekräftigte Gabriel.
Er halte den Streit gleichwohl "vielleicht für journalistisch relevant". In der Sache sei er aber bedeutungslos, erklärte der Vizekanzler. Man rede gerade über eine "der größten Krisen Europas", da gebe es natürlich Situationen, wo man unterschiedlicher Auffassung sei.
"Natürlich knirscht es da auch mal", sagte der Vizekanzler. Dies sei aber der Normalfall, alles andere wäre verwunderlich. Schäuble halte sich unterm Strich an das, was in der Bundesregierung verabredet sei, machte Gabriel deutlich.
Kontakt zum Autor: stefan.lange@wsj.com
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July 19, 2015 09:23 ET (13:23 GMT)
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