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06.03.2013 17:44:30

Gericht kippt Netzentgeltbefreiung für stromintensive Industrie

   Von Ali Uluçay, Claudia Wiese, Andreas Kissler

   Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat die Befreiung stromintensiver Unternehmen von den Netzentgelten gekippt. Der 3. Kartellsenat entschied, dass die entsprechende deutsche Verordnung nichtig ist. Damit dürfen Industrieunternehmen mit einem hohen Stromverbrauch nicht mehr von den Netzentgeltkosten befreit werden.

   Allerdings kann gegen das Urteil binnen eines Monats noch Berufung beim Bundesgerichtshof eingelegt werden. Die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde für die Netzentgelte wollte sich zu dem Urteil nicht äußern. "Wir werden zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten", sagte eine Behördensprecherin.

   Im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sei keine ausreichende Grundlage für die Befreiung von Netzentgelten vorhanden, argumentierte der Vorsitzende Richter Wiegand Laubenstein. Das EnWG erlaube zwar die Berechnung der Netzentgelte, nicht aber eine vollständige Befreiung. Darüber hinaus beanstandete das Gericht auch formal die Verabschiedung der Verordnung im Bundestag. Drittens, so das OLG, sein eine vollständige Befreiung von Netzentgelten aus Gleichheitsgründen nicht zulässig.

   Konkret hatten die Netzbetreiber Stadtwerke Ilmenau, NRM Netzdienste Rhein-Main GmbH, Amprion, die TransnetBW und Tennet gegen die neue Stromnetzentgeltverordnung vom August 2011 geklagt. Streitpunkt war, ob Unternehmen von den Entgelten befreit werden können, wenn sie mehr als 7.000 Arbeitsstunden und zehn Gigawattstunden Strom pro Jahr abnehmen.

   Die dadurch entstehenden Einnahmeausfälle der Netzbetreiber werden ab 2012 dadurch ausgeglichen, dass alle anderen Verbraucher und Unternehmen die Differenz ausgleichen. Die Netzentgelte machen etwa 20 Prozent des Strompreises für Haushaltskunden aus.

   Gleichzeitig stößt die Befreiung von Netzentgelten auch bei der EU-Kommission auf Bedenken, weil sie möglicherweise gegen das europäische Beihilferecht verstößt. Um dies zu prüfen, hat die Kommission jetzt ein Verfahren gegen die deutsche Regelung eingeleitet. Sie will feststellen, ob es sich bei der Gebührenbefreiung für stromintensive Betriebe von rund 300 Millionen Euro um staatliche Subventionen handelt und diese den Wettbewerb verzerren.

   Zuvor hatte sich unter anderem der Bund der Energieverbraucher (BDE) Ende 2011 bei der Kommission über Deutschland beschwert. Die Bundesregierung zeigte sich aber nach der Brüsseler Ankündigung überzeugt, dass die Netzentgeltbefreiung rechtmäßig ist. Netzentgelte werden für die Nutzung der Energienetze, also beispielsweise die Hochspannungsleitungen, fällig.

   Der BDE, ein Zusammenschluss aus über 13.000 privaten und kleingewerblichen Verbrauchern, beschwerte sich darüber, dass die deutsche Stromnetzentgeltverordnung seit August 2011 große Stromverbraucher von der Zahlung der Netzentgelte teils komplett befreit. Dadurch müsse ein deutscher Durchschnittshaushalt im Jahr bis zu 30 Euro mehr für Strom zahlen.

   Die EU-Kommission muss bestimmte staatliche Beihilfen genehmigen. Gegenwärtig sei sie der Auffassung, dass es sich bei der Netzgebührenbefreiung "um staatliche Mittel handeln könnte" und diese den Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil "zu verschaffen scheint". "Auf diese Weise könnte der Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verzerrt werden", begründet die Kommission das Verfahren.

   Die Bundesregierung hält dem entgegen, es handele sich nur um eine Gegenleistung für die Stabilität der Netze. "Aus Sicht der Bundesregierung liegt in der Netzentgeltbefreiung keine staatliche Beihilfe vor", sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. "Sie stellt vielmehr eine Gegenleistung für den Beitrag stromintensiver Unternehmen zur Netzstabilität dar", begründete er die deutsche Haltung.

   Die Opposition im Bundestag forderte hingegen eine Abschaffung der Befreiung. "Die von der Koalition in einer Nacht und Nebel-Aktion eingeführte Befreiung der Industrie von den Netzentgelten ist ungerecht und unsozial", bemängelte der Grünen-Energiewirtschaftsexperte Oliver Krischer. Diese Auffassung teile offenbar auch die Kommission. Krischer forderte die Bundesregierung daher auf, "die ungerechtfertigten Ausnahmeregelungen noch vor der Bundestagswahl komplett zurückzunehmen".

   Auch das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wird seit vergangenem Herbst ebenfalls nach einer Beschwerde des Bundes der Energieverbraucher von der Kommission unter die Lupe genommen. Denn Unternehmen mit hohem Stromverbrauch müssen weitaus weniger für die Förderung regenerativer Energie zahlen.

   Kontakt zu den Autoren: konjunktur.de@dowjones.com

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   March 06, 2013 11:14 ET (16:14 GMT)

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