05.07.2023 21:09:38
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GESAMT-ROUNDUP 2: Sorge um ukrainisches Atomkraftwerk Saporischschja wächst
(mit neuer IAEA-Mitteilung)
KIEW/MOSKAU (dpa-AFX) - Die Sorge um das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja ist am Mittwoch in den Fokus der Aufmerksamkeit im russischen Angriffskrieg in der Ukraine gerückt. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) forderte angesichts von Vorwürfen einer möglichen Beschädigung oder eines Angriffes auf das von russischen Truppen besetzte Kraftwerk zusätzlichen Zugang für seine dort stationierten Beobachter.
Die IAEA-Experten hätten in den vergangenen Tagen und Wochen Teile der Anlage inspiziert - darunter Abschnitte des großen Kühlbeckens - und auch regelmäßige Rundgänge durch das Kernkraftwerk durchgeführt, hieß es in einer IAEA-Mitteilung am Mittwochabend. Dabei seien bisher keine sichtbaren Hinweise auf Minen oder Sprengstoffe festgestellt worden, sagte IAEA-Direktor Rafael Mariano Grossi. Die Experten hätten nun zusätzlichen Zugang beantragt um zu bestätigen, dass keine Minen oder Sprengsätze verlegt wurden.
Der Kreml pochte unterdessen auf die Erfüllung seiner Bedingungen für die Verlängerung des Getreideabkommens.
IAEA: Umfassende Inspektion im Atomkraftwerk Saporischschja unmöglich
"Angesichts steigender militärischer Spannungen und Aktivitäten in der Region rund um die größte Atomanlage Europas muss es unseren möglich sein, die Fakten vor Ort zu überprüfen", sagte Grossi. Ihre unabhängigen und objektiven Berichte könnten helfen, die Situation aufzuklären. Insbesondere sei der Zugang zu den Dächern der Reaktoreinheiten 3 und 4 sowie zu Teilen der Turbinenhallen und einigen Teilen des Kühlsystems der Anlage von entscheidender Bedeutung, fügte Grossi hinzu.
Gleichzeitig habe das IAEA-Team berichtet, dass die einzige, zuvor unterbrochene Hauptstromleitung wieder repariert worden sei. Grossi hatte in der Folge des Ausfalls dieser Leitung am Dienstag von einer prekären nuklearen Sicherheitslage gesprochen.
Beide Kriegsparteien werfen sich geplanten Anschlag auf Kraftwerk vor
Zuvor hatten sich Moskau und Kiew gegenseitig eines angeblich unmittelbar bevorstehenden Anschlags auf das AKW im Süden der Ukraine bezichtigt. Das russische Militär habe auf den Dächern mehrerer Reaktorblöcke Gegenstände platziert, die Sprengstoff ähnelten, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Aus Moskau hieß es dagegen, die ukrainischen Streitkräfte planten selbst einen Angriff auf das AKW, das nahe der Front liegt.
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als 16 Monaten gegen die russische Invasion. Die vor knapp einem Monat gestartete ukrainische Gegenoffensive hat auch eine Rückeroberung des Kraftwerks Saporischschja zum Ziel. Das mit einer Bruttoleistung von 6000 Megawatt größte Atomkraftwerk Europas steht seit Anfang März 2022 unter russischer Kontrolle. Alle sechs Reaktoren sind seit vorigem September heruntergefahren.
Kreml: Große Gefahr einer Sabotage um AKW Saporischschja
Der Kreml bezeichnete seinerseits die Lage um das Atomkraftwerk als "ziemlich angespannt". Die Gefahr einer Sabotage vonseiten Kiews sei groß, "was von den Folgen her katastrophal sein kann", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Russland werde alle Maßnahmen ergreifen, um einer solchen Gefahr entgegenzuwirken.
Kiew äußert Unmut über IAEA-Chef Grossi
Die Ukraine übte unterdessen heftige Kritik an der IAEA wegen ihres Umgangs mit dem russisch besetzten Atomkraftwerk. Im Hinblick auf IAEA-Chef Rafael Grossi sagte der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak: "Der Mensch ist absolut unwirksam beim Management des Schlüsselrisikos." Die IAEA habe "klare Einflusshebel" auf Russland, sagte er in der Nacht zum Mittwoch im ukrainischen Nachrichtenfernsehen. Druck auf den staatlichen Atomkonzern Rosatom hätte einen Abzug der Russen und eine Minenräumung erzwingen können, argumentierte er. Podoljak sprach dabei von einer "Clownerie" und bezeichnete Grossi als "dieser Mensch" und "das Subjekt Grossi".
Kreml: Noch ist Zeit für Verlängerung von Getreideabkommen
Der Kreml sieht noch Zeit für die Erfüllung russischer Forderungen, um das Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer doch noch verlängern zu können. "Es ist noch Zeit, den Teil der Vereinbarungen umzusetzen, die unser Land betreffen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der russischen Staatsagentur Tass zufolge.
Der Russland betreffende Teil des Abkommens sei bisher aber noch nicht erfüllt. "Und dementsprechend gibt es im Moment leider keine Grundlage für die Verlängerung dieses Abkommens", sagte Peskow weiter. Eine Entscheidung zur Zukunft des Getreidedeals sei bislang nicht getroffen und werde rechtzeitig verkündet.
Das auch für den Kampf gegen den Hunger in der Welt wichtige Getreideabkommen läuft zum 17. Juli aus. Russland hatte unter anderem die Aufhebung der Sanktionen gegen seine Landwirtschaftsbank verlangt. Dafür wäre allerdings die Zustimmung der EU-Staaten nötig, was aber als nicht durchsetzbar gilt. Deshalb sollte die Gründung einer Tochtergesellschaft ein Ausweg sein./dot/DP/he
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