08.11.2012 16:28:31
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GESAMT-ROUNDUP: Griechisches Sparpaket verabschiedet - Streiks dauern an
Das Parlament verabschiedete das jüngste Sparpaket am späten Mittwochabend mit hauchdünner Mehrheit. Nur 153 der 176 Regierungsabgeordneten - bei insgesamt 300 Sitzen im Parlament - stimmten den Maßnahmen zu. Danach folgte ein regelrechter Aderlass der Regierungskoalition: Sieben Abweichler - sechs Sozialisten und ein Konservativer - wurden aus den Fraktionen ihrer Parteien ausgeschlossen. Am Donnerstagnachmittag verlor die Regierungskoalition einen weiteren Sitz, nachdem sich noch ein Abgeordneter der Sozialisten in einem Brief an das Parlamentspräsidium für unabhängig erklärte.
Die Einsparungen von insgesamt 13,5 Milliarden Euro in den nächsten zwei Jahren sollen vor allem bei Renten und Gehältern von Staatsbediensteten umgesetzt werden. Die Gewerkschaften rechneten aus, dass jeder Rentner im Durchschnitt etwa 2000 Euro im nächsten Jahr verlieren dürfte. Zugleich wird der Kündigungsschutz gelockert, während auch Abfindungen gekürzt werden.
"Die Entscheidung des griechischen Parlaments für das von der Regierung vorgeschlagene Sparpaket ist ein wichtiges Bekenntnis zur notwendigen Konsolidierungs- und Reformpolitik", sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) laut einer vom Auswärtigen Amt verbreiteten Erklärung. Dieses Signal werde in der ganzen Eurozone gehört.
Nach Ansicht der EU-Kommission muss Griechenland aber noch mehr tun, um weitere Milliardenhilfen aus dem Ausland zu erhalten. Die Zustimmung zum Sparpaket sei nur "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", sagte ein Sprecher des EU-Währungskommissars Olli Rehn am Donnerstag in Brüssel. Nun stehe am Sonntag die nächste wichtige Abstimmung über den Haushalt 2013 an. "Diese wird entscheidend sein, um den Weg für die Eurogruppe am Montag [..] frei zu machen." Die Euro-Finanzminister treffen sich in Brüssel, um über die Lage in Griechenland und die nächste Kredittranche von 31,5 Milliarden Euro für Athen zu beraten.
Damit steht am Sonntag in Athen die nächste Kraftprobe bevor. Die Haushaltsdebatte soll am Donnerstagnachmittag beginnen, die Abstimmung wird am späten Sonntagabend erwartet. Die Regierung hofft, dass diesmal die 16 Abgeordneten des kleineren Koalitionspartners der Demokratischen Linken (Dimar) dem Haushalt zustimmen. Die meisten Abgeordneten dieser kleinen Partei hatten sich beim Votum über das Sparpaket der Stimme enthalten. Die Partei sperrt sich gegen Einschnitte im Arbeitsrecht wie die Lockerung der Kündigungsschutzes. Der Chef der Demokratischen Linken Fotis Kouvelis hat bereits erklärt, seine Partei werden den Haushalt billigen.
Die Abstimmung im Parlament war von massiven Protesten von rund 70 000 Menschen begleitet worden. Rund 400 zum Teil vermummte Randalierer lieferten sich mit der Polizei heftige Auseinandersetzungen. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, die Vermummten warfen Molotow-Cocktails auf die Polizei.
Auch nach der Verabschiedung des Sparpakets durch das Parlament wurden in Griechenland die Streiks in einigen wichtigen Bereichen am Donnerstag fortgesetzt. Die U-Bahnen, die Stadtbahn und die Taxen standen für weitere 24 Stunden still. Im Zentrum Athens herrschte wie auch in den vergangenen zwei Tagen ein gewaltiges Verkehrschaos. Auch die Rechtsanwälte streikten.
Die griechische Presse reagierte unterschiedlich auf die denkbar knappe Abstimmung im Parlament. "153 Ja - für die letzte Chance", titelte "Ta Nea", das Blatt der politischen Mitte. Griechenland könne jetzt hoffen, in letzter Minute vom Bankrott gerettet zu werden, hieß es. Die konservative Zeitung "Kathimerini" meinte, die 153 Ja-Stimmen seien ein "Stimmen-Atemzug für das Land".
Wie das Statistische Amt in Athen am Donnerstag mitteilte, waren im August 1,26 Millionen Menschen der rund elf Millionen Einwohner arbeitslos. Dramatisch ist die Lage vor allem für junge Menschen bis zum Alter von 24 Jahren. Die Arbeitslosenquote belaufe sich in dieser Gruppe auf 58 Prozent. Arbeitslose erhalten in Griechenland nur ein Jahr lang Unterstützung.
Wegen der dramatischen Lage haben die Kirche Griechenlands und Hilfsorganisationen sogenannte Suppenküchen eingerichtet. Nach Angaben des Erzbistums Athen erhielten dort bereits 250 000 Menschen Unterstützung./tt/DP/bgf
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