11.10.2023 16:38:47
|
Habeck: Chancen für Industriestrompreis stehen 50:50
Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht die Chance für die Einführung eines staatlich subventionierten Industriestrompreises unverändert bei "Fifty-Fifty", wie er in Berlin erklärte. Er hält solch eine zeitlich befristete Unterstützung der energieintensiven Industrie für notwendig, damit wichtige Grundstoffe weiter in Deutschland produziert werden und die Resilienz Deutschlands gestärkt wird. Mit Blick auf Berichte über eine Verständigung zur Verlängerung der Energiepreisbremsen über dieses Jahr hinaus bis Ende März 2024 sagte Habeck, dass er für eine Verlängerung sei. Dies sehe das Bundeskabinett auch so. Aktuell liefen dazu noch die Gespräche mit der EU-Kommission in Brüssel, die dem zustimmen müsste.
"Die Gas- und die Strompreisebremse soll und ich denke wird verlängert werden. Das ist aus meiner Sicht eine 'No-regret'-Maßnahme, weil wir, wenn die Preise sich so entwickeln wir prognostiziert, sie kaum brauchen", sagte er mit Blick auf die Preisgrenzen in dem Instrument. Für Gas liegt die Preisbremse bei 12 Cent pro Kilowattstunde für Privathaushalte, bei Fernwärme bei 9,5 Cent und bei Strom bei 40 Cent. Aktuell lägen die Energiepreise weitgehend unterhalb dieser Preisgrenzen, auch wenn er einen deutlichen Anstieg nicht kategorisch ausschließen könne.
"Sollte so etwas passieren, würden wir uns freuen, dass wir die Gas- und Strompreisbremse haben", so Habeck auf der Pressekonferenz zur neuen Konjunkturprognose der Bundesregierung.
Habeck betonte außerdem, dass er auch künftig keine engen Beziehungen mit Russland bei der Lieferung von Gas sieht. Russlands Präsident Wladimir Putin habe die Gaslieferungen eingestellt. "Aus energiewirtschaftlicher und energiesicherheitspolitischer Sicht würde ich uns, Deutschland und Europa raten, nie wieder so abhängig von Russland zu sein, wie wir waren. Das tun wir auch nicht", sagte Habeck.
Denn man habe sich bei den Gaslieferung breit aufgestellt und arbeite an dem Ausbau der Erneuerbaren, um den Bedarf an fossilen Energieträgern zu reduzieren.
Debatte um Industriestrompreis läuft weiter
Mit Blick auf die anhaltenden Diskussionen um den von ihm vorgeschlagenen zeitlich befristeten Industriestrompreis sagte Habeck, es sei positiv, dass die Debatte weiterhin geführt werde.
Bundesfinanzminister Christian Lindner lehnt den Vorschlag ab, dass global operierende energieintensive Industrien befristet bis 2030 einen Industriestrompreis in Höhe von 6 Cent je Kilowattstunde für maximal 80 Prozent des Verbrauchs garantiert bekommen sollen. Die Kosten schätzt das Habecks Wirtschaftsministerium auf insgesamt 25 bis 30 Milliarden Euro. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Vorbehalte und befürchtet eine dauerhafte Subvention.
Neue Dynamik in Gesprächen mit Frankreich zu EU-Strommarkt
Neue Dynamik sieht Habeck in den Gesprächen zur geplanten Reform des EU-Strommarkts. Mit Frankreich habe man sich auf einen "gemeinsamen Weg im Vorgehen geeinigt", um eine Lösung zu finden. Aber man habe den Weg noch nicht abgeschritten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am Dienstag eine Einigung zur geplanten Änderungen am EU-Strommarkt bis Ende Oktober in Aussicht gestellt.
In der EU soll der Strommarkt in den nächsten Jahren neu geordnet werden, um starke Strompreisschwankungen, wie etwa zum Höhepunkt der Energiekrise, künftig zu verhindern. Dazu gehören sogenannte "Contracts for Differences"-Verträge, die nach unten und oben einen Deckel bei den Preisen setzen. Hier gibt es zwischen Deutschland und Frankreich unterschiedliche Positionen.
In Frankreich deckt der Atomstrom des Staatskonzerns EdF einen Großteil der Stromversorgung des Landes ab. Dieses Unternehmen sei aber mit 65 Milliarden Euro verschuldet, so Habeck. Es müsse ausgeschlossen werden, dass hier das Level-Playing-Field mit anderen Unternehmen verlassen werde. Denn wenn ein staatlicher Konzern Strompreise unterhalb der marktüblichen Preise anbieten könne, benachteilige das andere Stromanbieter und andere Länder im Wettbewerb. "Hier sind wir auf dem Weg der Klärung", so Habeck.
Es gebe zwei mögliche Lösungswege für einen Kompromiss in Europa: Entweder werde die Strommenge definiert oder man verhindert Dumpingpreise, so Habeck. Am Dienstag würden sich die Energieminister der EU treffen. "Das wäre ein guter (EU-Minister-)Rat, um da dann auch einen Haken dahinter zu machen", so Habeck.
Hohe Zinsen wirken
Habeck äußerte sich in der Pressekonferenz auch zur aktuellen Inflation. Es zeichne sich eine Bodenbildung ab, und die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank mit den hohen Zinsensätzen zeige Wirkung. Außerdem sieht er ebenfalls bei der deutschen Konjunktur eine Bodenbildung erreicht. Sie verlasse nun das Tal.
Der Minister machte ebenfalls deutlich, dass Deutschland mit seiner alternden Gesellschaft nicht nur auf heimische Arbeitskräfte setzen könne, sondern Arbeitskräfte aus dem Ausland brauche. "'Wir brauchen keine Zuwanderung' ist ökonomischer Wahnsinn", so Habeck. Außerdem habe sich die Regierung darauf verständigt, dass in Deutschland bereits länger lebende Flüchtlinge einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen sollen, so der Minister. Die Regierung habe sich auf einen Migrationspaket verständigt.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
DJG/aat/mgo
(END) Dow Jones Newswires
October 11, 2023 10:39 ET (14:39 GMT)

Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!