SDAX
16.02.2013 11:34:32
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HINTERGRUND: Wie der Online-Handel die CD aus den Geschäften verdrängt
Der Berliner Musikproduzent und ehemalige Chef des Major-Labels Universal Music in Deutschland, Tim Renner, ist überzeugt: "In Zukunft wird der Markt für Musik zu 90 Prozent digital und zu 10 Prozent physisch sein." Die Musikladen-Kette WOM, vor nicht allzu langer Zeit noch ein Treffpunkt der Jugend in deutschen Innenstädten, existiert nur noch als Internet-Marke. Noch bieten zwar Elektromärkte CDs an. Aber auch dort werden sie nach Renners Einschätzung fast vollständig verschwinden. "Irgendwann reicht vermutlich ein kleiner CD-Ständer aus, wie heute schon die kleinen Vinyl-Ständer."
Ein Blick ins Ausland verrät, wohin die Reise gehen könnte: In US-Metropolen ist es schwer geworden, überhaupt einen guten Laden für Tonträger zu finden. Am ehesten haben sich noch Geschäfte gehalten, die Musik abseits des Massengeschmacks anbieten oder eine breite Auswahl an Schallplatten anbieten, darunter gern auch gebrauchte Alben. Ein Beispiel ist Academy Records & CDs in Manhattan.
Die Kette Tower Records mit zum Schluss noch 89 Läden hat dagegen schon im Jahr 2006 in den USA aufgeben müssen. Im gleichen Jahr begann der schleichende Niedergang von Sam Goody. Und 2009 schloss am Union Square in Manhattan der letzte von einst 23 Virgin Megastores in Nordamerika. Damit verlor gleichzeitig New York City seinen letzten großen Plattenladen.
Die Insolvenz der traditionsreichen britischen Musikladen-Kette HMV Mitte Januar ist das jüngste Beispiel für den Druck auf die Branche. Die seit 1921 bestehende HMV mit einem Hund mit Grammophon im Logo kämpfte seit Jahren gegen zurückgehende CD-Käufe, Billigpreise in Supermärkten und das wachsende Geschäft mit Musik-Downloads. HMV war erst 2010 ins Geschäft mit der digitalen Musik eingestiegen. Nun will das Unternehmen mit einem abgespeckten Konzept weitermachen.
In Frankreich steht die Medienkaufhaus-Kette Virgin Megastore, die aus den USA, Großbritannien oder Japan bereits verschwunden ist, ebenfalls vor dem Aus. Die Landesgesellschaft, die 1988 auf den Pariser Champs-Elysées das damals größte Musikgeschäft der Welt eröffnete, musste im Januar ihre Zahlungsunfähigkeit erklären. Innerhalb der kommenden vier Monate soll nun geprüft werden, ob es Sanierungsmöglichkeiten gibt. An den 26 Standorten in Frankreich sind rund 1000 Arbeitsplätze in Gefahr.
In einen Abgesang auf die CD auch in Deutschland stimmt allerdings der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) nicht mit ein. "Die Deutschen hängen nach wie vor an CDs", betont BVMI-Sprecher Andreas Leisdon. Während das Angebot in Kaufhäusern und Fachgeschäften zurückgehe, gebe es noch gut sortierte Angebote in Elektronikmärkten.
Allerdings sieht auch Leisdon einen Trend weg von CDs bei Einzelhändlern hin zum Bestellen im Internet. Das belegen Zahlen des Marktforschungsunternehmens GfK (GfK SE): Der Anteil des Verkaufs in Warenhäusern am gesamten Musikhandel schrumpfte von 12,0 Prozent im Jahr 2002 auf nur noch 2,9 Prozent im Jahr 2009. Im gleichen Zeitraum wuchsen der E-Commerce von 9,0 Prozent auf 25,0 Prozent und der vor zehn Jahren noch vernachlässigenswerte Download auf 15,1 Prozent. Nach einer GfK-Prognose wird das physische Geschäft bis 2016 um jährlich rund sieben Prozent schrumpfen.
Die Elektronikmärkte Media Markt und Saturn wollen aber weiter zu CDs in den Läden stehen. "Wir gehen daher fest davon aus, dass es den physischen Tonträger trotz der Entwicklung der digitalen Musik-Downloads in Zukunft weiterhin geben wird", sagt eine Sprecherin der Media-Saturn-Holding. "Das Interesse unserer Kunden an der Musik-CD ist nach wie vor hoch." Allerdings setzen die Ketten mittlerweile auch mit eigenen Online-Plattformen auf das Geschäft mit Downloads und Streams.
Produzent Tim Renner hält das Ende der CD aber schon für besiegelt und glaubt, dass die wesentlich ältere Schallplatte als Nischenprodukt in Geschäften eher noch eine Überlebenschance hat: "Vinyl klingt besser, sieht besser aus und fühlt sich besser an", meint der Musik-Liebhaber./seu/das/cro/aha/DP/zb
--- Von Stephan Scheuer, dpa ---
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