09.04.2023 05:00:00

Klima-Glossar: CO2-Kompensation

CO2-Kompensation soll klimaschädliche Treibhausgasemissionen - die etwa bei einer Flugreise oder beim Betrieb eines Unternehmens entstehen - durch Investitionen in Klimaschutzprojekte ausgleichen. CO2-Kompensation wird dabei häufig als Freibrief für noch mehr Emissionen kritisiert. So können sich Unternehmen als "klimaneutral" vermarkten, obwohl ihre Emissionen nicht sinken. Oberste Priorität sollte Umweltexpertinnen und -experten zufolge die Reduktion von Emissionen haben.

Unternehmen, aber auch Privatpersonen, können ihren Ausstoß an klimaschädlichen Gasen kompensieren, indem sie CO2-Zertifikate aus Klimaschutzprojekten kaufen. Diese Projekte fördern zum Beispiel den Ausbau von Solarstrom oder Wasserkraft und die Aufforstung von Wäldern. Dadurch werden Treibhausgase aus fossilen Energieträgern reduziert oder dauerhaft gebunden. Freiwillige CO2-Kompensation ist eine Möglichkeit, Klimaschutzmaßnahmen weltweit zu unterstützen und mit privaten Mitteln zur Klimafinanzierung beizutragen.

Unternehmen sind teils auch gesetzlich zur CO2-Kompensation verpflichtet, nämlich dann, wenn sie dem EU-Emissionshandel unterliegen. Das betrifft Unternehmen, die sehr viel CO2 ausstoßen, wie Strom- und Wärmeproduzenten und Industrieanlagen, wie etwa Stahlwerke, Raffinerien oder Zementwerke. Stößt ein Unternehmen mehr CO2 aus, als ihm durch die erworbenen CO2-Zertifikate zusteht, muss es Strafen zahlen oder zusätzliche Zertifikate zukaufen.

Jedes Zertifikat steht für eine Tonne klimaschädlicher Emissionen, die in einem Projekt vermieden werden. Dabei spielt es keine Rolle, wo die Kompensation stattfindet. Denn Treibhausgase verteilen sich in der Atmosphäre und bleiben nicht dort, wo sie entstehen. Das wichtigste Kriterium bei einem Kompensationsprojekt ist die Zusätzlichkeit. Das bedeutet, dass das Klimaschutzprojekt erst durch die Kompensationsmaßnahme realisiert werden kann. So muss etwa nachgewiesen werden, dass ein Wald ohne Gelder aus der CO2-Kompensation nicht aufgeforstet worden wäre.

Sogenannte Zertifizierer tragen die Verantwortung dafür, dass nur dann ein Zertifikat ausgestellt wird, wenn auch tatsächlich CO2 eingespart wird. Sie entscheiden auch, wie viele Zertifikate sich ein Projekt anrechnen lassen kann. Der größte Zertifizierer ist die Organisation Verra, bei drei von vier Projekten weltweit übernimmt sie die Aufsicht. Der von Verra entwickelte "Verified Carbon Standard" ist eines der wichtigsten Gütesiegel für den globalen Kompensationsmarkt.

Recherchen von "The Guardian", "Die Zeit" und der britischen Rechercheplattform "Source Material" haben aufgedeckt, dass über 90 Prozent aller von Verra zertifizierten Waldschutzprojekte - die am häufigsten von der Organisation überwachten Projekte - gar kein zusätzliches CO2 einsparen. Die Bedrohung der von Verra zertifizierten Waldflächen wurde zudem laut einer Studie der Universität Cambridge um durchschnittlich 400 Prozent überschätzt. Verra widerspricht den Vorwürfen vehement. Generell raten Expertinnen und Experten davon ab, Waldschutz für CO2-Zertifikate zu nutzen. Denn es ist schwer nachzuweisen, dass jemand einen Wald zerstört hätte, wenn er nicht durch den Kauf von Zertifikaten gerettet worden wäre.

CO2-Kompensation wird oft als Ablasshandel bezeichnet. So könnten Verschmutzungsrechte und ein gutes Gewissen einfach gekauft werden. Häufig wird auch der geringe Preis für die CO2-Kompensation kritisiert. Für die österreichische Umweltexpertin Renate Christ etwa ist es ein Trugschluss zu glauben, dass für ein paar Euro mehr für ein Klimaschutzprojekt zum Beispiel ein Flug keine Umweltschäden mehr verursacht. Generell sind sich die Expertinnen und Experten aber einig, dass CO2-Kompensation notwendig und sinnvoll ist, etwa um schwer vermeidbare Emissionen in kritischen Bereichen auszugleichen. Nicht aber, um "Luxusemissionen" zu kompensieren, wie Christ bei einer Diskussion der "Scientists for Future" sagte.

Das Umweltbundesamt empfiehlt, Emissionen zu vermeiden oder zu verringern. Denn was nicht ausgestoßen wird, muss gar nicht erst aufwendig kompensiert werden. Um der Klimakrise entgegenzuwirken, braucht es vorrangig die Reduktion von Treibhausgasen, insbesondere von CO2. Lassen sich Emissionen nicht vermeiden oder reduzieren, kommt als letzter Schritt deren Ausgleich in Betracht.

sag/cgh

(APA)
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