28.06.2013 17:00:31
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KONJUNKTUR IM BLICK/EZB hält die Tür für Lockerung offen
Von Hans Bentzien
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte die Leitzinsen bei der Sitzung am kommenden Donnerstag erneut unverändert lassen, zugleich aber die Tür für eine weitere Lockerung der Geldpolitik offen halten. Einerseits haben sich die Wachstumsaussichten des Euroraums seit der Sitzung Anfang Juni nicht weiter eingetrübt, sodass von dieser Seite kein Handlungsdruck besteht. Andererseits dürfte die Inflation im Juni zum zweiten Mal in Folge zugelegt haben.
In der Pressekonferenz von Präsident Mario Draghi wird erneut das Staatsanleihekaufprogramm OMT zur Sprache kommen, dessen psychologische Wirkung etwas unter den kritischen Nachfragen des deutschen Verfassungsgerichts gelitten hat. Aus konjunktureller Sicht ist vor allem der nächste Tag interessant: Am Freitag veröffentlicht das Bundeswirtschaftsministerium die Daten zum Auftragseingang im Mai und das US-Arbeitsministerium den Arbeitsmarktbericht für Juni. Beide Daten haben das Zeug, die Märkte zu bewegen.
Als der EZB-Präsident Anfang Juni in Frankfurt vor die Presse trat, da lag die letzte Zinssenkung schon einen Monat zurück. Damals lieferte der EZB-Rat die fällige Senkung von Wachstums- und Inflationsprojektionen nach und bekräftigte seine von vielen für zu optimistisch gehaltene Einschätzung, dass die Euroraum-Wirtschaft im zweiten Halbjahr die konjunkturelle Wende schaffen werde. In jedem Fall, so Draghi, werde man die hereinkommenden Daten genau beobachten.
Was sich seither an Daten gezeigt hat, stimmt vorsichtig optimistisch: Der von Markit erhobene Einkaufsmanagerindex ist im Juni ebenso gestiegen wie der Index der Wirtschaftsstimmung, der sogar das höchste Niveau seit über einem Jahr erreichte. Zwar sieht der Eurocoin-Indikator den Euroraum auch im zweiten Quartal noch in der Rezession, doch spricht das nicht unbedingt gegen Wachstum in der zweiten Jahreshälfte.
Zudem legte der deutsche ifo-Index entgegen den Erwartungen zu, und vorläufige Verbraucherpreisdaten aus der größten Volkswirtschaft des Euroraums legen die Vermutung nahe, dass sich die Inflation weiter dem von der EZB angesteuerten Bereich von knapp 2 Prozent angenähert hat. Draghi bekräftigte dieser Woche seine relativ optimistische Konjunktureinschätzung, als er sagte: "Wir erwarten, dass der geldpolitische Stimulus und die Besserung an den Finanzmärkten eine Erholung später im Jahr stützen werden."
Wie steht es um mögliche neue unkonventionelle Maßnahmen zur Ankurbelung der Kreditvergabe in Südeuropa? Jüngste Äußerungen des EZB-Präsidenten lassen hier eher keine Neuigkeiten erwarten. Das gemeinsame mit der Europäischen Investitionsbank verfolge Projekt, den Verbriefungsmarkt für Kredite kleinere Unternehmen in Gang zu bringen, ist laut Draghi ein langfristiges Projekt. Zwar hat sich die Kreditvergabe an den privaten Sektor im Mai weiter verringert, doch beruht diese Entwicklung wohl vor allem auf der konjunkturbedingt schwachen Kreditnachfrage.
Bei einer Rede in der französischen Nationalversammlung hob der EZB-Präsident die Einschränkungen hervor, denen eine Zentralbank bei Aufgaben unterliegt, die nicht direkt mit ihrem Preisstabilitätsmandat zu tun haben. "Man muss anerkennen, dass Geldpolitik ihre Grenzen hat", sagte er und fuhr mit Blick auf die Kreditproblematik fort: "Kreditvergabe erfordert Finanzierung, Kapital und eine positive Risikoabschätzung. Die Zentralbank kann bei der Finanzierung helfen und makroökonomische Risiken beeinflussen." Aber sie könne weder Kapital bereitstellen, noch habe sie Einfluss darauf, wie eine Bank die Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers beurteile.
Was Draghi bei der letzten Ratssitzung noch nicht wusste, war, welchen Eindruck die kritischen Nachfragen der deutschen Verfassungsrichter zu Ziel und Auswirkungen des Staatsanleihekaufprogramms OMT machen würden. Bei manchem Beobachter haben sie die Skepsis genährt, dass die EZB ihr Programm jemals wird einsetzen können. Das kann, unabhängig von der Frage, ob sie das selbst je wollte, dem Kaufversprechen seine Glaubwürdigkeit nehmen.
Deshalb verwundert es nicht, dass derzeit Spekulationen über mögliche Alternativen ins Kraut schießen. So berichtete die Süddeutsche Zeitung von angeblichen Planspielen für ein Quantitative Easing (QE) nach US-Vorbild, also einen breit angelegten Kauf von Staatsanleihen aller Eurozone-Länder. EZB-Direktor Jörg Asmussen spielte diese Möglichkeit allerdings herunter. Tatsächlich dürfte einem QE-Programm im Rat noch größerer Widerstand entgegenschlagen als im vergangenen Jahr dem OMT.
Insgesamt dürfte Draghi in der Pressekonferenz erneut bemüht sein, einen sehr ausgewogenen Eindruck zu hinterlassen. Doch angesichts der sich andeutenden geldpolitischen Wende in den USA wird er voraussichtlich nicht auf Hinweise von der Art verzichten, dass die EZB für den Notfall bereit stehe, ihr OMT zu aktivieren oder andere unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen.
Ob die Hoffnungen der EZB auf eine konjunkturelle Belebung in der zweiten Jahreshälfte in Erfüllung gehen, darauf könnten die am Freitag anstehenden Daten zum Auftragseingang der deutschen Industrie im Mai Aufschluss geben. Im April sind die Bestellungen überraschend deutlich gesunken, womit die im März verzeichneten Zuwächse nahezu getilgt wurden. Ein Anstieg im Mai könnte die Orders wieder in einen Aufwärtstrend bringen und die Erwartung wecken, dass die deutsche Konjunkturlokomotive wieder etwas besser zieht.
Zweieinhalb Stunden später liegt der Fokus der Aufmerksamkeit auf dem US-Arbeitsmarktbericht für Juni. Er könnte die Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich des geldpolitischen Kurses der US-Notenbank entscheidend beeinflussen. Ein unerwartet guter Bericht könnte nicht nur zu deutlichen Verlusten bei US-Aktien und Anleihen führen, sondern weltweit die Wechselkurse bewegen.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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June 28, 2013 10:30 ET (14:30 GMT)
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