23.11.2021 16:31:00

Kurzarbeit als Mittel der Wahl gegen Arbeitslosigkeit

--------------------------------------------------------------------- AKTUALISIERUNGS-HINWEIS Neu: EconPol Europe/IHS zu Kurzarbeit im dritten und in den letzten beiden Absätzen ---------------------------------------------------------------------

Der ÖGB sieht in der Kurzarbeit das passende Instrument, Arbeitsplätze auch in schwierigen Zeiten zu erhalten. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian hat deshalb am Dienstag an die Arbeitgeber appelliert, von diesem staatlich gestützten Modell Gebrauch zu machen und kein Personal abzubauen. "Der vierte Lockdown wird sowohl die Kurzarbeit als auch die Arbeitslosenzahlen wieder in die Höhe treiben", erwartet er mit Blick auf die aktuelle Entwicklung am Arbeitsmarkt.

"Die Sozialpartner arbeiten auf Hochtouren gemeinsam mit der Bundesregierung daran, dieses Kriseninstrument, das mehr als 1,3 Millionen Arbeitsplätze gerettet hat, erneut weiterzuentwickeln", teilte der ÖGB-Chef in einer Aussendung mit. Kurzarbeit sei ein "Win-win-Modell für alle", strich er hervor. Arbeitsplätze blieben erhalten und Arbeitgeber hätten die Klarheit, dass der Betrieb nach dem Lockdown sofort weitergehen könne.

Konjunkturhilfen zur Abfederung von Corona hätten 2020 rund 200.000 Arbeitsplätze in Österreich gerettet, heuer bisher rund 41.000 Jobs. Zu diesem Ergebnis kommt das europäische Forschungsnetzwerk EconPol Europe in einer aktuellen Studie. Von den 200.000 Stellen im Jahr 2020 sind demnach alleine 191.000 auf Kurzarbeit zurückzuführen. "Die Kurzarbeit hat besonders erfolgreich verhindert, dass die Beschäftigung im gleichen Ausmaß wie die reale Wirtschaftstätigkeit sank", betonte Studienautor Klaus Weyerstraß vom Wiener Institut für Höhere Studien (IHS). Sie sei "eine geeignete Maßnahme, um Einkommen zu stabilisieren und Unternehmen bei der Erhaltung ihres Personals zu unterstützen".

Katzian plädierte auch dafür, dass Arbeitslose erhöhtes Arbeitslosengeld bekommen. "Für alle, die die Kurzarbeit nicht nutzen können oder aktuell keinen Job finden, fordern wir weiterhin die Erhöhung des Arbeitslosengelds von aktuell 55 auf 70 Prozent des letzten Nettoentgelts", erinnerte er an eine zentrale Forderung des ÖGB. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld betrage weniger als 1.000 Euro, was bedeute, dass Arbeitslose unter der Armutsgrenze lebten.

Die von der Coronakrise hart getroffene Tourismusbranche mit ihren Hunderttausenden Arbeitsplätzen greift vielfach auf das Modell der Kurzarbeit zurück, fordert diese Möglichkeit aber - zumindest für Saisonbetriebe - sofort ab Lockdown-Beginn und in voller Höhe. Nach derzeitiger Regelung gibt es die staatliche Kurzarbeitsbeihilfe erst nach einem voll ausbezahlten Kalendermonat. "Das ist in Saisonbetrieben erst ab Neujahr der Fall", sagte die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung, Michaela Reitterer, am Dienstag unter Verweis auf die "Fehler im Vorjahr". Angesichts des aktuellen Lockdown-Starts am 22. November, wären Hilfen erst ab Jänner beziehbar. Ihr Wunsch: "100 Prozent Kurzarbeitsentgelt und das ab Tag eins des Lockdowns und die Weiterführung des 100-prozentigen Kurzarbeit-Lockdownmodells ohne neuerliche Antragstellung." Vor der Pandemie arbeiteten 320.000 Menschen im Tourismus, inzwischen haben viele der krisengeschüttelten Branche den Rücken gekehrt.

"Im ersten Lockdown (ab Mitte März 2020, Anm.) war es vor allem die Gastronomie- und Beherbergungsbranche, die einen guten Teil ihrer MitarbeiterInnen vor die Tür setzte, anstatt Kurzarbeit anzumelden", hielt das linksliberale Momentum Institut fest. Mit den Kündigungen war man offenbar schnell zur Hand: Ende März 2020 seien in der Gastro um knapp 90.000 Menschen weniger in Beschäftigung gewesen als ein Monat zuvor. Weitere rund 60.000 Jobs seien "durch Kurzarbeit abgefangen" worden.

Der von den behördlichen Schließungen ebenfalls stark betroffene Handel ging demnach zu Beginn der Pandemie weniger radikal vor - mit dem Abbau von nur rund 7.000 Jobs sowie 154.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kurzarbeit. Auch Bau und Industrie setzten relativ rasch auf das Instrument der Kurzarbeit. Im zweiten Lockdown habe sich ein gewisser "Lerneffekt" in der Gastronomie- und Beherbergungsbranche gezeigt - es wurden laut Momentum nur knapp 18.000 Jobs gekappt. Das sei allerdings erneut der stärkste Beschäftigungsrückgang im Branchenvergleich gewesen.

Das österreichische Corona-Konjunkturpaket war laut IHS "das drittgrößte in der EU und beläuft sich auf rund 50 Mrd. Euro". Dennoch sei der Anstieg der öffentlichen Verschuldung "relativ gering". Die Defizitquote habe sich 2020 um 2 Prozentpunkte erhöht und 2021 um etwa 0,75 Prozentpunkte. Aufgrund der "automatischen Stabilisatoren" - geringere Steuereinnahmen und höhere Ausgaben für Arbeitslosengeld - sei der Gesamtanstieg des Schuldenstandes "jedoch erheblich". Ein Teil der budgetären Auswirkungen - vor allem Mindereinnahmen bei den Unternehmenssteuern - falle zudem erst in den kommenden Jahren an.

Die Konjunkturmaßnahmen sollten daher zurückgefahren werden, sobald die Pandemie überwunden sei, um einen gesunden Staatshaushalt zu sichern, betonte Weyerstraß. Die Kurzarbeit "sollte nur so lange angeboten werden, wie die Eindämmungsmaßnahmen oder andere pandemiebedingte Probleme wie Unterbrechungen der Versorgungskette andauern". Weitere Hilfen für Arbeitnehmer, Selbstständige und Unternehmen waren Steuersenkungen und Steuerstundungen, Fixkostenzuschüsse und Verlustausgleiche sowie Maßnahmen zur Förderung von Investitionen. Der geschätzte Effekt auf die Wirtschaftsleistung betrug der Studie zufolge 2020 und 2021 jeweils 0,9 Prozentpunkte.

kre/cgh

WEB http://www.oegb.at

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