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24.08.2015 22:17:37

Lausitzer Rundschau: Gabriels Mut - Merkels Kurve Die Politik und die Gewalt gegen Flüchtlinge

Cottbus (ots) - Man kann Sigmar Gabriel attestieren, dass er unter erheblichen Kursschwankungen leidet. Manchmal aber verfügt der SPD-Chef und Vizekanzler dann doch über den notwendigen politischen Instinkt. Und über mehr Mut als andere, klare Worte zu finden. Im sächsischen Heidenau hat der Obergenosse jetzt das praktiziert, was er der SPD bei seinem Amtsantritt 2009 geraten hat - nämlich dorthin zu gehen, "wo es brodelt, manchmal riecht und gelegentlich auch stinkt". Gabriels Besuch in der Kleinstadt nahe Dresden ist zwar ein spätes, aber wichtiges Zeichen, dass sich die Bundespolitik und die Zivilgesellschaft den Hass und die Gewalt von rechten Extremisten - vielleicht sogar Terroristen - und ihren Mitläufern nicht bieten lassen wollen. "Pack" hat der Vizekanzler die Täter genannt, "undeutsch" seien sie. Starker Tobak. Die politisch Korrekten werden zusammengezuckt sein angesichts solcher Titulierungen. Aber die Gewalttäter dürfen nicht geschont werden. Weder juristisch, noch verbal. Sicher: Wer es schlecht meint mit der Politik, der wird nun beklagen, dass auf einmal jeder Flüchtlingspolitiker sein will, um womöglich Versäumnisse der Vergangenheit zu kaschieren. Oder dass Polit-Tourismus zu den Heimen den Menschen nicht helfen wird. Das stimmt jedoch nicht. Vor Ort lassen sich die zum Teil dramatischen Probleme besser begreifen als am Berliner Schreibtisch. Gabriel hat schließlich recht, wenn er von einer doppelten Integrationsaufgabe spricht - es liegt im Interesse des Landes, den Menschen, die hierher kommen, möglichst rasch Chancen und Perspektiven zu bieten. Nicht allen, aber vielen. Genauso dürfen die Bürger nicht länger überfordert werden. Viel Zeit ist verloren gegangen, um eine nachhaltige Flüchtlingspolitik gemeinsam mit den Städten und Gemeinden auf die Beine zu stellen. Besuche vor Ort fördern deshalb auch das Verständnis dafür, was politisch jetzt zügig getan werden muss. Womit Angela Merkel in den Fokus gerät. Die Kanzlerin musste sozusagen zum Jagen getragen werden. In der Flüchtlingsfrage hat sie in den vergangenen Tagen fatal an ihren Vorvorgänger Helmut Kohl erinnert, der die Probleme gerne ausgesessen hat. Endlich hat auch Merkel die schlimmen Krawalle in Heidenau als das bezeichnet, was sie sind - abstoßend und beschämend. Und zwar persönlich und nicht nur über ihren Sprecher. Nach der massiven Kritik an ihrem Schweigen hat sie noch so eben die Kurve gekriegt, was vielleicht auch daran liegen mag, dass Gabriel ihr einen Schritt voraus gewesen ist. In der Flüchtlingskrise ist Merkels bisherige Zögerlichkeit freilich besonders gefährlich, weil die Lage eine gesellschaftliche Sprengkraft beinhaltet. Die Verurteilung der Ereignisse von Heidenau reicht daher nicht aus. Deutschland sei ein weltoffenes und ein tolerantes Land, betont die Kanzlerin gerne. Es gehört jetzt mehr denn je zu ihren Aufgaben, mit dafür zu sorgen, dass dies tatsächlich auch so bleibt.

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