09.02.2024 10:55:00

Lieferkette - Wifo-Experte: Zertifizierungen wären Kompromiss

Wifo-Experte Klaus Friesenbichler sieht ein Versicherungs- oder Zertifizierungssystem als Kompromiss, um in einem EU-Lieferkettengesetz sowohl Wirtschaftsinteressen als auch Menschen- und Umweltrechte zu berücksichtigen. "Man sollte schauen, dass nicht einzelne Beziehungen überwacht werden, sondern dass letztlich Firmen an sich in ihren Praktiken überwacht werden", sagte Friesenbichler im Ö1-"Morgenjournal".

Die größte Schwachstelle des am Freitag noch zur Abstimmung stehenden Kompromisses sieht der Experte darin, dass er auf einzelnen Geschäftsbeziehungen fußt. Das sei auch die Kritik der Unternehmen. "Einzelne Lieferbeziehungen sind sehr zahlreich. Wir schätzen in unseren Modellen, dass es in Europa circa 30 Millionen Unternehmen gibt, die 900 Millionen Lieferbeziehungen haben." Es sei eine "Herkulesaufgabe", alle dieser Beziehungen zu überwachen. Zudem wäre "im Endeffekt die ganze Wirtschaft haftbar." Es gehe darum, dieses Risiko zu minimieren, so Friesenbichler.

Der Lieferkettenexperte schlägt vor, die EU oder Länder mit einem hinreichend guten Rechtssystem von der Regulierung auszunehmen und für andere Länder eine Art Versicherungs- oder Zertifizierungssystem zu etablieren. "In einem derartigen System könnten spezialisierte Auditoren vielleicht auch in Zusammenarbeit mit NGO Haftung übernehmen, dass die Praktiken einer Firma in einem Drittland sauber sind", so Friesenbichler. Durch die Haftungsübernahme von Zertifizierungsstellen könnten Komplexität und Risiko für Unternehmen reduziert werden.

Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen - mit mehr als 500 Beschäftigten bzw. in Risikosektoren mit mehr als 250 Beschäftigten - zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbar sind.

Österreich will sich wie Deutschland auf Druck der kleinsten Regierungspartei FDP enthalten. Das kündigte die ÖVP an, obwohl die Grünen für das Gesetz sind. Das kommt einem Nein bzw. einem Blockadeversuch gleich. Wie die Abstimmung ausgeht, war am Vormittag vorerst noch offen. Die FPÖ fordert gleich ein Nein. Die SPÖ ist für ein Ja zum Vorhaben.

sag/phs

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