09.08.2024 11:59:44
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MARKT-AUSBLICK/Gewitter oder Beben - das ist hier die Frage
Von Herbert Rude
FRANKFURT (Dow Jones)--Auch wenn sich die Erholungsdynamik abschwächen könnte, vorbei ist die Erholung am deutschen Aktienmarkt laut Marktteilnehmern vermutlich noch nicht. "Die heftige Gewitterzelle liegt erst einmal hinter uns", sagt Jochen Stanzl von CMC Markets. Er hält es für ein gutes Zeichen, dass sich die Börsenstimmung abgekühlt hat: "Wenn die Kurse jetzt weiter steigen, wird die Mehrheit der Anleger nicht dabei sein, zu groß ist die Skepsis", sagt der Marktanalyst.
Andere Marktteilnehmer sprechen dagegen nicht von einem Börsengewitter, sondern von einem wahren Börsenbeben, das die Märkte in den ersten beiden Tagen des Augusts und zu Beginn der nun ablaufenden Woche durchgeschüttelt hat. Und auf Beben folgen gewöhnlich noch Nachbeben, auch wenn diese normalerweise bei weitem nicht so heftig ausfallen wie das Hauptbeben. Damit ist tatsächlich die Frage, ob sich hier ein Gewitter entladen hat, das nun wieder heiteren Aussichten Platz gemacht hat, oder ein Beben, dann wäre die weitere Entwicklung eher holprig und ginge mit Rückschlägen einher.
Beantwortet werden kann die Frage nur mit weiteren Daten, die die Rezessionsgefahr in den USA klären. Generell spricht vieles tatsächlich für ein Gewitter, das von den schwachen US-Arbeitsmarktdaten verursacht und der Gefahr einer Eskalation im Nahen Ostern zeitweise verstärkt worden ist.
Die Commerzbank verweist darauf, dass der Anstieg der Arbeitslosigket in den USA aber nicht an Entlassungen liege, sondern an der hohen Zahl Arbeitssuchender durch die starke Einwanderungswelle. Zudem seien die Juli-Daten durch den Hurrikan "Beryl" verzerrt worden. "Für ein klareres Bild sollte daher zumindest der nächste Bericht abgewartet werden", so die Volkswirte der Commerzbank. In der kommenden Woche dürften aber bereits die Daten zur US-Industrieproduktion und zu den Einzelhandelsumsätzen sowie der Konjunkturindex der Notenbankfiliale in Philadelphia zeigen, wie es um die US-Konjunktur bestellt ist. Die Verbraucher- und Erzeugerpreise könnten Indizien für das Zinssenkungspotenzial liefern.
Für ein Nachbeben an den Börsen könnten schwache Daten führen, mit denen die Rezessionsgefahr zurückkehrt, aber auch ein weiterer Raketen- und Drohnen-Angriff des Iran auf Israel. Allerdings ist die Entwicklung im Nahen Osten anscheinend von fieberhaften diplomatischen Bemühungen geprägt, mit denen eine Eskalation vermieden werden soll. Zudem zeigt der Ölpreis als Krisenindikator bisher keine deutlicheren Ausschläge nach oben, was ebenfalls nicht für eine Eskalation spricht.
Abgesichert wird der DAX durch die guten Quartalsberichte der meisten seiner Schwergewichte. Überhaupt hat die Tendenz gedreht: Erstmals seit längerem weisen die Gewinne wieder nach oben. Sollten nach dem relativ günstigen Verlauf die Gewinnschätzungen für das zweite Halbjahr angehoben werden, würde das europäischen Aktien zusätzlichen Rückenwind verleihen, sagt Ulrich Stephan, Anlagestratege der Deutschen Bank. In der kommenden Woche legen aus dem DAX die Versorger RWE und Eon ihre Zahlen auf den Tisch, aber auch Hannover Rück und Brenntag.
Aus technischer Sicht könnte der DAX nun das Gap anlaufen, die charttechnische Lücke, die er auf dem Weg nach unten zwischen 18.070 und 17.918 Punkten gerissen hat. Sollte er dieses Gap schließen, würde er auch in die alte Range zwischen knapp 18.000 und knapp 19.000 Punkten zurückkehren. Das wäre dann für den Markt wahrscheinlich eine faustdicke Überraschung und würde viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischen.
Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com
DJG/hru/ros
(END) Dow Jones Newswires
August 09, 2024 06:00 ET (10:00 GMT)

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