25.06.2015 21:57:39
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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Queen in Deutschland
Auf einer, für royale Verhältnisse, fast ärmlichen Barkasse über die Spree zur deutschen Kanzlerin. Über den roten Teppich zur Frankfurter Paulskirche, wo einst die Wiege der deutschen Demokratie stand. Oder heute im ehemaligen KZ Bergen-Belsen, dass vor 70 Jahren von britischen Soldaten befreit wurde. Queen Elizabeth II. ist mit 89 Jahren nicht nur eine sehr agile Zeitzeugin der sehr bewegten jüngeren deutsch-britischen Geschichte, sie ist zugleich so etwas wie ein royaler Anker im stürmischen Europa. Ihrem Deutschlandbesuch wohnte die eindringliche politische Botschaft inne, Europa zusammenzuhalten. Die EU braucht die Briten und die Briten brauchen die EU. Dafür steht die Queen. Mit ihrem eindringlichen Appell hat die Frau, die seit 63 Jahren auf dem Thron sitzt und in dieser Zeit so enorm viel erlebt hat, den engen Rahmen, den die britische Verfassung der Monarchin einräumt, nahezu ausgeschöpft. Über dem jetzigen Deutschland-Besuch der Queen hängt nicht nur die brisante Frage eines möglichen Ausscheidens des Vereinigten Königreiches aus der EU, sondern auch das quälende Trauerspiel um Griechenland oder der Krieg in der Ukraine. Die Queen ist in dieser stürmischen Zeit, ähnlich wie der Papst, eine moralische Instanz, die über das Wort mäßigend und mahnend zugleich wirkt. In Deutschland mag sich bei dem einen oder anderen durchaus auch das Bedürfnis nach einem eigenen gekrönten Haupt wecken. Das Interesse an der Queen und der königlichen Familie jedenfalls ist ungebrochen. Und dies offenbar nicht nur wegen der bunten Klatschblätter, die über alles schreiben, was nur irgendwie von den Royals zu erhaschen ist. Dabei scheint Elizabeth II. Über den Dingen zu stehen. Sie hat den Zweiten Weltkrieg, anders als heutige Politiker, bewusst wahrgenommen. Sie hat den Fall des British Empires, den Kalten Krieg sowie den Fall des Eisernen Vorhangs und das Entstehen neuer Demokratien erlebt. Verheißungsvolle Fortschritte ebenso wie bittere Rückschläge. Was für ein Leben, dass die Queen in treuer Pflichterfüllung als oberste Dienerin ihres Landes bis heute absolviert. Doch auch ein goldener Käfig, in den sie als junge Königin nach dem Tod ihres Vaters hineingesetzt wurde, hat Gitterstangen. Die Pferde- und Hunde-Liebhaberin Elizabeth II. Iebt gewiss kein "normales" Leben, sondern ein vorgegebenes. Darin hat sie sich eingerichtet. Beinahe skurrile, liebgewordene Angewohnheiten inklusive. Fehler und Fehleinschätzungen auch - etwa nach dem Tod von Prinzessin Diana. Die sonst so nüchternen Briten - immerhin die Erfinder der neueren Demokratie - lieben ihre Queen. Die Schotten inklusive, die sicher auch wegen ihrer Königin per Referendum gegen die Loslösung von Großbritannien votierten. Der konservative Londoner Regierungschef David Cameron indes steht bei seinen Bürgern im Wort. Er muss sie spätestens 2017 über den Verbleib in der EU abstimmen lassen. Cameron war sozusagen als Beipack der Queen mit nach Berlin gekommen, um für London-freundliche Reformen in der EU zu werben. Anders als die "Eiserne Lady" Margaret Thatcher, die ihre Handtasche auf den Verhandlungstisch knallte und der EU vor 30 Jahren tatsächlich finanzielle Sonderrechte für Großbritannien abtrotzte, geht Cameron diplomatisch vor. Merkel könnte ihm bei Themen wie Bürokratieabbau und der Verhinderung von Sozialmissbrauch entgegenkommen. Auf Granit sollte Cameron aber beißen, wenn es um die Einschränkung von Grundrechten, wie der Reisefreiheit, geht. Jetzt einen Ausweg aus dem griechischen Dilemma zu finden, ist die brennendste Aufgabe der EU. Den Briten einen gesichtswahrenden, nach vorn gerichteten Verbleib in der Gemeinschaft zu ermöglichen, steht ebenso auf der Agenda.
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