28.07.2014 21:40:58
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christine Straßer zum Ausbildungsmarkt
Regensburg (ots) - Die Situation ist verquer: Für das
Ausbildungsjahr haben viele junge Menschen noch keine Stelle. Das
zeigen die Zahlen der Arbeitsagentur. Zugleich suchen andererseits
vor allem Handwerksbetriebe zum Teil händeringend Lehrlinge. Auf dem
Ausbildungsmarkt bildet sich eine Zweiklassengesellschaft. Den
paradoxen Negativtrend bestätigt der Berufsbildungsbericht 2014. Auf
169 Seiten werden die wichtigsten Daten zum Ausbildungsmarkt
aufgeführt und Schwerpunkte für die Berufsbildungspolitik der
nächsten Jahre festgelegt. Dem Bericht zufolge wurden 2013 530 700
Neuverträge mit Auszubildenden abgeschlossen. Das ist ein Rückgang
von mehr als 20 000 Verträgen im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der
mit einem Ausbildungsplatz "unversorgten" jungen Menschen stieg um
mehr als 5000 auf 21 000. Parallel blieben etwa 33 500 Lehrstellen
unbesetzt. Das sind 40 Prozent der ausgeschriebenen Stellen.
Jugendliche mit gutem Schulabschluss, vielleicht sogar mit Abitur,
werden von Betrieben umworben. Die Besten und meist auch die
Zweitbesten schlagen jedoch oft einen anderen Weg ein. Laut
Berufsbildungsbericht haben sich 2013 zum ersten Mal mehr
Schulabgänger für ein Studium als für eine Ausbildung entschieden. Am
anderen Ende der Bildungsleiter sieht es ganz anders aus. Wer einen
Hauptschulabschluss hat, tut sich oft schwer. Der Ruf der Schule und
eines Stadtbezirks spielen eine Rolle. Wer ein schlechtes Zeugnis hat
und in einem Problembezirk wohnt, fällt schnell durch das Raster.
Hinzu kommt, dass so mancher Absolvent schlichtweg nicht
ausbildungsreif ist. Die Verfasser des Berufsbildungsberichts
sprechen von einem Matchingproblem. Der Ausbildungsmarkt steht vor
gewaltigen Herausforderungen. Etliche Einzelmaßnahmen wurden bereits
ergriffen. Handwerkskammern werben für eine Lehre als Bäcker oder
Klempner. In den Industrie- und Handelskammern erklingt ein Loblied
auf eine duale Ausbildung. Zu recht, schließlich werden wir im
Ausland für diese qualitätvolle und praxisnahe Ausbildung beneidet.
Die Arbeitsagentur versucht in Zweite-Chance-Projekten nachzusteuern
und Schwächere fit für den Ausbildungsmarkt zu machen. Dennoch: All
das konnte nicht verhindern, dass die Berufsausbildung an den Rand
gedrängt wurde. Es gibt verschiedene Ansatzpunkte, um die Weichen bei
der Ausbildung in Richtung Zukunft zu stellen. Die sich breit
machende Studium-für-alle-Tendenz muss kritisch hinterfragt werden.
Ausbildungsgänge müssen durchlässig und flexibel sein, damit
Quereinstiege und Kursänderungen möglich sind. Aber das wichtigste
ist, zuerst an die Schwächsten zu denken. Die Gesellschaft droht die
Bildungsverlierer aus dem Blick zu verlieren. Davor wird bereits seit
mehreren Jahren gewarnt, doch verbessert hat sich trotz allem noch
immer wenig. Viele Firmen müssen inzwischen ausgleichen, was in
Schule und Elternhaus versäumt wurde. Handwerksmeister geben ihren
Auszubildenden Nachhilfe in Rechnen, Lesen und Schreiben. Dies ist
lobenswert. Gleichzeitig ist das aber auch beschämend. Denn die
Grundlagen sollten längst gelegt sein. Jungen und Mädchen, die eine
Schulzeit voller Misserfolge hinter sich haben, können oder wollen
sich nicht mehr motivieren und irgendwann ist es auch zu spät, sie
von außen für etwas zu begeistern - schon gar nicht, wenn dieses
etwas mit Anstrengungen, Geduld, Unannehmlichkeiten und Rückschlägen
verbunden ist. Vorher muss angesetzt werden. Junge Menschen müssen
nach der Schule ausbildungsreif sein, sonst haben sie gar keine
Chance.
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