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17.07.2014 22:21:00

Mittelbayerische Zeitung: Obwohl es in der Ukraine und im Nahen Osten brennt, ist die EU mit sich selbst beschäftigt. Leitartikel "Nutzlose Nabelschau" von Daniela Weingärtner

Regensburg (ots) - Das hatte sich Jean-Claude Juncker auch anders vorgestellt. Der frisch gewählte Kommissionspräsident wollte noch vor der Sommerpause damit beginnen, seine neue EU-Kommission zusammenzustellen. Von jedem Mitgliedsland wünschte er sich drei Personalvorschläge, darunter mindestens eine Frau. Solange die Regierungschefs keinen neuen Außenbeauftragten ernannt haben, sind aber alle anderen Entscheidungen blockiert. Die Ukraine steht kurz vor dem Bürgerkrieg, im Gasstreit mit Russland ist keine Einigung in Sicht und im Nahen Osten eskaliert der Konflikt wie seit Langem nicht. Was aber tun die Europäer? Statt sich um die wichtigen Themen zu kümmern und an einem Strang zu ziehen, schaut jeder nur darauf, welches Pöstchen sein Land in Brüssel ergattern könnte. Das war nicht immer so. 2008 einigten sich die Mitgliedsstaaten auf einen neuen EU-Vertrag, der sich von dem Prinzip "Ein Land, ein Kommissar" verabschieden wollte. Stattdessen sollte ein deutlich kleineres Kollegium nach sachlichen Erwägungen gebildet werden. Nicht berücksichtigte Länder sollten dann beim nächsten Mal zum Zuge kommen. Statt sich an dieses vernünftige und auch Geld sparende Prinzip zu halten, ist der Postenschacher schlimmer denn je. Italiens Premier Renzi sieht sich als Sieger der Europawahl, beansprucht also einen wichtigen Job für sein Land. Doch die Osteuropäer wollen seine Außenministerin Federica Mogherini nicht als EU-Außenbeauftragte akzeptieren, weil sie Sympathien für Russland gezeigt habe - Putinversteher sind für die ehemaligen Sowjetstaaten, die so lange unter dem Diktat Moskaus gelitten haben, ein Rotes Tuch. Gerne hätten die östlichen EU-Mitglieder den polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski zum europäischen Chefdiplomaten gekürt, doch der ist angeschlagen, seit er dabei belauscht wurde, wie er sich über den amerikanischen Präsidenten lustig machte. Sowohl Mogherini als auch Sikorski seien aus dem Rennen, war gestern in Brüssel zu hören. Nun soll Ratspräsident Herman van Rompuy die Wochen bis Ende August dazu nutzen, ein Gesamtpaket zu schnüren und dabei möglichst auch seine eigene Nachfolge zu klären. Nicht nur Italiener und Osteuropäer sollen zufrieden gestellt werden, sondern auch der beleidigte David Cameron, der vergeblich gegen Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident protestiert hatte. Diese Niederlage soll ihm mit dem Binnenmarktressort versüßt werden. Im Vergleich dazu klingt Angela Merkels Ansage schon fast bescheiden: Der derzeit für Energiefragen zuständige CDU-Kommissar Günther Oettinger soll in Brüssel bleiben und wieder ein wichtiges Wirtschaftsressort bekommen. Jean-Claude Juncker kann sich vermutlich von seiner Idee verabschieden, aus den besten Frauen und Männern eine effiziente neue Verwaltung zusammenzustellen und dabei einen Frauenanteil von 40 Prozent zu erreichen. Stattdessen wird er sich von den Regierungschefs vorschreiben lassen müssen, wer welches Ressort bekommt. Das wird die aber nicht daran hindern, die Brüsseler Verwaltung mit immer neuen Aufgaben zu betrauen und später ihre schwache Arbeit zu kritisieren. Nur das Europaparlament, das die neue EU-Kommission im Amt bestätigen muss, könnte hier noch die Notbremse ziehen. Ende Oktober endet die Amtszeit der jetzigen Barroso-Kommission. Und sein Nachfolger kann nicht mit der Arbeit beginnen, sondern muss darauf warten, dass sich die aufs Eigeninteresse fixierten Streithähne endlich einigen.

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