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21.02.2016 21:02:39

Neue Westfälische (Bielefeld): Der Mob macht mobil gegen Flüchtlinge Fragen des Anstands THOMAS SEIM

Bielefeld (ots) - Auf einer dieser Plattformen im Internet gibt es ein noch nicht so altes Schlagwort, das auch für die Vorgänge in Clausnitz, Bautzen und sonst wo taugt: "wirristdasVolk". Es ist eine Persiflage auf die Parole "Wir sind das Volk" der friedlichen DDR-Revolution 1989. Leider passt es auch auf die Ereignisse des Wochenendes, auf die widerlichen, menschenverachtenden Zusammenrottungen von Ausländerfeinden, Wirrköpfen, Alkoholisierten und Menschen mit hoher krimineller Energie und wenig eigenem Antrieb. Auch sie riefen "Wir sind das Volk" und verrieten die eigene Geschichte. Man könnte es dabei belassen und müsste sich nicht weiter bekümmern, würde hier nicht zum zweiten Mal seit der deutschen Einheit - nach 1992 in Rostock-Lichtenhagen - der deutsche Mob versuchen, den öffentlichen Diskurs an sich zu reißen. Man könnte es dabei bewenden lassen, würden nicht an dieser Stelle plötzlich die kränkelnden Wahlbewerber um die Ministerpräsidenten-Posten in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz versuchen, ihr landespolitisch fades Süppchen mit Außen- und Bundespolitik irgendwie doch noch scharf zu machen. Die Forderung der CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf und Julia Klöckner nach nationalen Lösungen für die Bewältigung der drängenden Flüchtlingssituation sind schädlich für dieses Land, weil sie die europäische Einigung beschädigen, von der Deutschland mehr als alle anderen EU-Mitglieder wirtschaftlich profitiert. Sie desavouieren als Spitzenkandidaten der CDU die CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihren Verhandlungen mit den Nachbarn und der Türkei. Und sie tragen nichts, aber auch gar nichts zur Bewältigung der Herausforderungen bei, die sich mit der Kriegslage in Syrien und der daraus resultierenden Flüchtlingssituation ergeben haben. Man darf, muss der Kanzlerin gegen die eigenen Parteifreunde beispringen. Vor ein paar Tagen hat sich Merkel gegen ihre Kritiker und deren Hinweis auf das Leben vor Schengen und der Abschaffung der Grenzkontrollen so zitieren lassen: "Es gab auch ein Leben vor der Einheit. Da waren die Grenzen noch besser geschützt." Dieser ironische Hinweis ist berechtigt. Er richtet sich an die CDU. Noch ist Gelegenheit genug für die Kanzlerpartei, sich einem Aufstand der Anständigen anzuschließen, der die Parolen der Demokratie- und Flüchtlingsfeinde in die Schranken weist. Aber viel Zeit ist nicht mehr. Diese Anständigen nämlich, wir Anständigen, sind das Volk. Und die Mehrheit.

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