14.07.2019 22:07:42

Neue Westfälische (Bielefeld): Europaparlament entscheidet über Kommissionspräsidentin EU im Teufelskreis Thomas Seim

Bielefeld (ots) - Wenn am Dienstag das Europaparlament über das Amt der Kommissionspräsidentin entscheidet, entsteht mit großer Wahrscheinlichkeit größter politischer Schaden. Für die Kandidatin, für das Europaparlament, für die Kommission, für die Europäische Union insgesamt. Richtig ist der Vorhalt von Kritikern, dass die Staats- und Regierungschefs mit der amtierenden deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Kandidatin zur Wahl vorgeschlagen haben, über die die Wähler nicht entscheiden durften. Richtig ist auch, dass die Staats- und Regierungschefs sich wieder in Kungelrunden der Hinterzimmer-Diplomatie wichtiger nehmen als die demokratische Wahlentscheidung. Das hilft weder der Stabilisierung des Vertrauens in Rechtsstaatlichkeit, noch stärkt es die Akzeptanz der EU insgesamt und der Kommission insbesondere. Der Schaden wird größer, wie immer die Wahl ausgeht. Wird Frau von der Leyen bestätigt, geschieht dies voraussichtlich mit den Stimmen der rechtskonservativen Regierungen, die Europa in dieser Form nicht mehr wollen. Dazu wird das demokratische Prinzip einer Wahl gleich doppelt beschädigt: Über die neue Kommissionspräsidentin durften dann nicht nur die Bürgerinnen und Bürger nicht entscheiden. Mit Frau von der Leyen würde sich außerdem eine Minderheit der rechtskonservativen Staatsregierungen gegen die Mehrheit durchsetzen. Das demokratische Prinzip wäre ebenso beschädigt wie das Friedensprojekt EU. Der neue Nationalismus, den die rechtskonservative Parteienfamilie befördern will, verstärkt dazu das Risiko des vollständigen Scheiterns der EU, der alte Kontinent droht in Bedeutungslosigkeit zu zerfallen. Wird Frau von der Leyen nicht vom Parlament bestätigt, fällt Europa wieder in eine neue Phase der Macht-, Plan- und Handlungslosigkeit. Nicht nur wird dies US-Präsident Trump, Kreml-Chef Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping gefallen. Auch die Menschen in Europa werden sich einmal mehr enttäuscht abwenden. Das Kind EU liegt nun also im Brunnen - und niemand scheint zu wissen, wie man ihm da heraus hilft. Frau von der Leyen immerhin hätte eine Option, den Teufelskreis zu durchbrechen. Sie könnte dem Rat des SPD-Fraktionsvize Achim Post folgen und erklären, dass sie keine Mehrheit akzeptiert, die nur durch die anti-europäische Rechte um die Herren Orban (Ungarn), Kaczynski (Polen) und Salvini (Italien) zustande kommt. Das wäre vielleicht ein Impuls, der eine neue Beweglichkeit ermöglichte. Es wäre nur ein Anfang, nicht mehr. Aber ein Anfang.

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