14.11.2014 21:03:00
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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Urteil gegen Thomas Middelhoff Erst Retter, dann Buhmann Stefan Schelp
Bielefeld (ots) - Eine Geschichte wie die vom Aufstieg und Fall
des Thomas Middelhoff kann man kaum erfinden. So skurril, so
emotional, so unglaublich ist sie, dass Filmemacher Nico Hofmann
("Unsere Mütter, unsere Väter", "Die Flucht") angeblich schon über
die Besetzungsliste nachdenkt. Thomas Middelhoff war "Big T", der
Mann, der Bertelsmann in einem Jahr so viel Gewinn bescherte, wie der
Konzern in allen Jahren nach dem Krieg insgesamt nicht gemacht hatte.
Der Bertelsmann fit fürs nächste Jahrtausend gemacht hat. Und dann
von Nachkriegsgründer Reinhard Mohn aus der Firma gekegelt wurde.
Middelhoff war der Mann, der als der Retter von Karstadt gefeiert
wurde, als er sich aus dem Aufsichtsrat in den Vorstand locken ließ.
Wie sich später herausstellte, wurde er zu früh gefeiert. Middelhoff
ging ein halbes Jahr vor der Insolvenz. Aus dem Retter wurde der
Buhmann. Danach ist übrigens nichts besser geworden bei Karstadt. Mit
dem deutsch-amerikanischen Strahlemann Nicolas Berggruen nicht. Und
ob sich unter dem neuen Eigner René Benko alles zum Besseren wendet,
ist auch noch nicht ausgemacht. So lange, wie Thomas Middelhoff
erfolgreich war, hat kein Huhn und kein Hahn danach gekräht, ob der
Manager per Hubschrauber einen Stau umflogen hat oder Geld für eine
Festschrift dem Arcandor-Konzern in Rechnung stellte. Erst als der
Insolvenzverwalter anfing, jeden Euro umzudrehen, wurde es eng für
Middelhoff. Die Menschen nehmen ihm sein manchmal großspuriges
Auftreten und die Selbstverständlichkeit, mit der er Privilegien in
Anspruch genommen hat, vor allem deshalb übel, weil Middelhoff
Manager und nicht Unternehmer war. In den Augen der
Karstadt-Belegschaft ist er allzu großzügig mit fremdem Geld
umgegangen, während sie selbst über Gehaltskürzungen, Sozialpläne und
Entlassungen verhandeln mussten. Ihre Existenzen standen auf dem
Spiel, während Middelhoff nur ein paar Stunden Zeit herausholen
wollte. Das Urteil gegen Thomas Middelhoff dürfte in vielen
Konzernen, ganz sicher auch jenen, die im Dax 30 notiert sind, mit
hohem Interesse beobachtet worden sein. Möglicherweise mischt sich
auch ein wenig Furcht hinein. Denn natürlich sind auch die
Dax-Vorstände, nicht anders als einst Thomas Middelhoff, mit dem
firmeneigenen Jet unterwegs. Das gilt für Bankvorstände nicht anders
als für die Chefs von Energiekonzernen. Möglicherweise hat sich auch
hier manches Mal das Manager- mit dem privaten Interesse vermengt.
Viele Topleute sind es nicht gewohnt, solche Dinge zu hinterfragen.
Sollte sie dereinst das Glück verlassen, könnten sich die Gerichte
auch mit ihnen beschäftigen. Und wenn schon, wie in Middelhoffs Fall,
800.000 Euro mit drei Jahren Haft bestraft werden, dann stellt sich
die Frage, ob die Liste verurteilter Manager in den kommenden Jahren
noch länger werden könnte. Die Richter haben eben nicht bewertet, ob
ein Thomas Middelhoff oder andere, ihm vergleichbare Manager
eigentlich "das Gute" wollten oder nicht. Die Richter bewerten, ob
die Menschen, die vor ihnen stehen, sich an die Gesetze halten und ob
sie die Wahrheit sagen. Und eben dies hat Middelhoff nach Ansicht des
Gerichts nicht getan. Was Manager dürfen, was sie nicht dürfen und
was sie aus moralischen Dingen besser lassen sollten, wird gerade neu
ausgelotet. Jetzt vor Gericht, demnächst vielleicht auf der Leinwand.
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