Essen (ots) - Vor wenigen Wochen schien es so, als habe die
Kanzlerin die Nerven verloren. Als Deutschland wieder Kontrollen an
der Grenze zu Österreich einführte, um der steigenden
Flüchtlingszahlen Herr zu werden, wirkte das, als habe Angela Merkel
der Mut verlassen, als sei sie nicht mehr davon überzeugt, dass
Deutschland es schafft, die Herausforderungen zu meistern. Aber die
Kanzlerin hält diesmal Kurs, anders als in anderen Krisen. Sie bleibt
dabei: Wir schaffen das. Es wird keinen Aufnahmestopp geben. Es ist
ihr, der kühlen Pragmatikerin, ein Herzensanliegen. Das könnte ihr
als Naivität ausgelegt werden, aber es ist ganz einfach eine neue,
eine bemerkenswerte Standhaftigkeit, die sich nicht von sinkenden
Umfragewerten oder dem anschwellenden Protest in den eigenen Reihen
beeinflussen lässt, und das nötigt Respekt ab. Realitätsfremd ist es
nicht: Natürlich kann Deutschland diese Krise meistern. Dazu genügt
ein kurzer Blick zurück in die Geschichte. Fast 900.000 Übersiedler
aus der DDR, Aussiedler und Asylbewerber kamen allein 1989, ein Jahr
später waren es über eine Million. Damals, im Jahr der deutschen
Wiedervereinigung, übernahmen die Mutlosen, die Bedenkenträger und
Angstmacher die Hoheit über den öffentlichen Diskurs, so wie sie es
heute wieder tun, die Politiker von CSU und SPD, die einem so starken
Land wie Deutschland so erstaunlich wenig zutrauen. Vor 25 Jahren
ähnelten die Schlagzeilen den heutigen, die Zeitungen waren voll von
Berichten über Schlägereien in Flüchtlingsunterkünften, über Städte
an Kapazitätsgrenzen, über die Angst von Bürgern vor einer
Überforderung der Sozialsysteme. Politiker schwadronierten von
drohenden Großstadtkriegen. Wir wissen: Es ist gut ausgegangen.
Heute sind die Herausforderungen andere als vor 25 Jahren, es gilt
Menschen aus anderen Kulturkreisen und nicht nur solche mit einer
völlig anderen Sozialisation zu integrieren; und natürlich müssen
Probleme benannt werden. Und ja, die deutsche Flüchtlingspolitik war
in den vergangenen Monaten von Aktionismus geprägt und von fehlender
Vorausschau, und dafür ist Merkel als Regierungschefin
verantwortlich. Aber Angst ist kein guter Ratgeber bei einer solchen
Mammutaufgabe, wer Ängste schürt, schürt auch den Hass - und deshalb
ist es umso wichtiger, dass die Kanzlerin nicht in den Chor der
Besorgten mit einstimmt. Den Deutschen sollte es Mut machen, dass sie
jetzt eine Regierungschefin haben, die nicht umfällt, wenn es stürmt.
Die Bürger fordern immer wieder Rückgrat von der Politik ein. Merkel
beweist in der Flüchtlingskrise, dass sie eines hat.
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