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02.08.2015 10:47:40

Ost-Gewerkschaften sehen Mitgliederschwund gestoppt

MAGDEBURG/LEIPZIG (dpa-AFX) - "Wir sind noch nicht über den Berg, aber auf einem guten Weg", fasst Sandro Witt vom DGB Hessen-Thüringen die Lage der ostdeutschen Gewerkschaften zusammen. Nach jahrelangem Mitgliederschwund sei inzwischen eine gewisse Stabilität erreicht. Gerade erfolgreiche Arbeitskämpfe wie zuletzt bei der Post, der Bahn und den kommunalen Kitas sorgten für Mitgliederbeitritte, sagt der DGB-Bezirksvizechef Witt. Allerdings fange das gerade im Osten oft nur die Sterbefälle und Wegzüge auf. Tatsächlich melden die ersten Gewerkschaften im Osten steigende Zahlen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab.

Allerdings haben die Arbeitnehmervertreter auch weiter an strukturellen Problemen zu kauen: Die Tarifbindung ist deutlich geringer als im Westen der Republik. Erhebungen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge sank der Anteil der Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen in Ostdeutschland zwischen 1996 und 2014 von 56 auf 36 Prozent. Im Westen profitierte zuletzt immerhin noch jeder zweite Beschäftigte von der Tarifbindung seines Arbeitgebers.

Dazu kommt ein ausgeprägter Niedriglohnsektor. Als besondere Baustellen markieren mehrere Gewerkschaftsvertreter den Einzelhandel, die Gastronomie und das Handwerk.

In diesen Branchen mit vielen kleinen Unternehmen und einem harten Preiswettbewerb ist es für Gewerkschaften besonders schwer, wie der Politikwissenschafter Prof. Frank Ettrich von der Uni Erfurt sagte. Die Beschäftigten seien schwerer zu organisieren, Lohnsteigerungen mit Blick auf die geringen Gewinnmargen - etwa des Einzelhandels - viel schwerer durchzusetzen. Das schlage in der ostdeutschen Wirtschaft mit wenigen großen Playern besonders ins Gewicht. "Aber die Stabilisierung, von der die Gewerkschaften derzeit selbst ausgehen, halte ich für realistisch."

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nach eigenen Angaben derzeit rund 187 000 Mitglieder. Das seien gut 1000 mehr als noch Ende 2014. Zuletzt seien die Austritte meist durch Eintritte ausgeglichen worden. "Der Bezirk Nordsachsen mit Leipzig gehört zu den Regionen mit der besten Mitgliederentwicklung", sagt ein Gewerkschaftssprecher.

Für Berlin und Brandenburg wollte Verdi keine Angaben über die Mitgliederentwicklung machen. Die Industriegewerkschaft Metall zählt in Thüringen derzeit 46 140 Mitglieder. Das seien knapp 1900 mehr als noch vor fünf Jahren. Besonders erfreulich sei hier der steigende Zuspruch junger Menschen, erklärt Bezirksleiter Jörg Köhlinger.

"Wir gehören leider nicht zu den Gewerkschaften, die schon ein Mitgliederplus verzeichnen", konstatiert der Bezirksleiter der IG Bau für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Peter Schulze. "Allerdings liegen wir mit 45 000 Mitgliedern seit einiger Zeit bei plus minus null." Ende der 1990er hätte die IG Bau in seinem Bezirk hingegen noch 1000 Mitglieder jährlich verloren. "Gerade wenn wir Haustarifverträge führen, erreichen wir schnell einen hohen Organisationsgrad", sagt Schulze. "Und nach einem Tarifabschluss bleiben die meisten auch."

Um die Entwicklung zu stabilisieren und die Mitgliederinteressen weiter gut zu vertreten, sind die Gewerkschaften aus Sicht des DGB-Bezirksvize Witt auch auf einen Partner angewiesen: "Wenn die Arbeitgeber nicht die Tarifflucht eindämmen, dann haben wir auch keine Chance." Die Tarifautonomie sei die beste Werbung für beide Seiten. "Wir brauchen wieder mehr Branchen- statt Haustarifverträge."

Witt sieht ein konkretes Ziel, das beide gemeinsam lösen sollten: "Nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns sollte es uns künftig gelingen, eine mögliche Erhöhung wieder miteinander auszuhandeln statt sie von der Politik festlegen zu lassen." Dem stimmt auch der Erfurter Politikwissenschaftler Ettrich zu. "Der Staat sollte künftig im besten Fall nur beobachten, ob das Aushandeln funktioniert."/hnl/DP/zb

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