09.06.2022 20:36:38
|
OTS: Börsen-Zeitung / Besser spät als nie, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs
Besser spät als nie, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs
Frankfurt (ots) - Wenn keine große Überraschung passiert, wird die Europäische
Zentralbank (EZB) im Juli erstmals seit - dann fast auf den Tag genau - elf
Jahren die Leitzinsen anheben. Die zuvor bereits avisierte Zinswende hat der
EZB-Rat de facto besiegelt. Der Schritt ist mehr als überfällig. Die EZB hat dem
unguten Inflationstreiben schon viel zu lang untätig zugeschaut. Jetzt ist man
geneigt zu sagen: Besser spät als nie. Entscheidend ist aber, dass die EZB den
in der Form beispiellosen Ankündigungen nun auch entschlossene Taten folgen
lässt. Leider sind da immer noch Zweifel angebracht.
Keine Frage: Mit ihrer beispiellos expansiven Geldpolitik in den vergangenen
Jahren hat die EZB wesentlich dazu beigetragen, zunächst die Folgen der
Weltfinanz- und der Euro-Schuldenkrise und später die Auswirkungen der
Corona-Pandemie abzumildern und einen ökonomischen Totalabsturz zu verhindern.
Dafür gebührt ihr bei aller berechtigten Kritik im Detail Anerkennung. Auf
der Sollseite aber steht, dass es die EZB auch in besseren Zeiten eigentlich nie
geschafft hat, aus dem Krisenmodus herauszufinden. Und vor allem, dass sie
zuletzt das Inflationsproblem kolossal unterschätzt und sogar kleingeredet hat.
Das ist ein historischer Fehler, den es aufzuarbeiten gilt.
Jetzt also soll die längste Phase lockerer Geldpolitik seit dem Zweiten
Weltkrieg zu Ende gehen. Das ist gut. Billionenschwere Anleihekäufe und
Negativzinsen sind in Zeiten einer Rekordinflation von 8,1 Prozent irrsinnig.
Nicht gut ist aber, dass die EZB am Donnerstag bereits eine Zinserhöhung um 50
statt 25 Basispunkte im Juli praktisch ausgeschlossen hat. Natürlich wäre ein
solcher Schritt kommunikativ eine Herausforderung gewesen. Aber das darf niemals
dazu führen, dass etwas nicht getan wird, wenn es ökonomisch nötig ist. Die EZB
hätte sich diese Option offenhalten sollen, vor allem für den Fall weiter
anziehender Inflationserwartungen. So schürt sie nur verbreitete Skepsis an
ihrer Entschlossenheit.
Statt eines Whatever-it-takes-Moments im Kampf gegen die Inflation hält die EZB
beharrlich an ihrem Mantra von "Optionalität, Datenabhängigkeit, Gradualismus
und Flexibilität" fest. Nun ist wahrlich niemandem gedient, wenn eine abrupte
Kehrtwende die Wirtschaft abschmieren lässt oder die Finanzmärkte in übermäßige
Turbulenzen stürzt. Genauso wenig hilft es aber, wenn eine graduelle
Normalisierung die EZB immer weiter hinter die Kurve fallen lässt, wie es im
Notenbanksprech heißt. Längst stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit der
EZB als Hüterin stabiler Preise. Da sollte die EZB besser früher als später
klare(re) Zeichen setzen.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/5244139
OTS: Börsen-Zeitung
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!