15.01.2016 19:56:40
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Börsen-Zeitung: Armageddon am Ölmarkt, Marktkommentar von Dieter
Kuckelkorn
Frankfurt (ots) - Die gerade beendete Handelswoche ist denkwürdig
verlaufen. Die führende US-Leichtölsorte West Texas Intermediate
(WTI) ist unter 30 Dollar, Brent Crude sogar erstmals seit zwölf
Jahren unter 29 Dollar je Barrel gerutscht. Der Ölpreis hat, wenn man
von dem Brent-Höchststand vom Sommer 2014 ausgeht, rund 75%
eingebüßt. Es handelt sich um eine der ausgeprägtesten Baissen, die
der Ölmarkt jemals gesehen hat.
Daher drängen sich historische Vergleiche auf, die auch helfen
könnten auszuloten, wie weit es mit dem Ölpreis noch nach unten geht.
Dabei fällt auf, dass selbst der Einbruch im Rahmen der von der
Finanzkrise ausgelösten globalen Rezession der Jahre 2008/09 auf ein
Brent-Tief von 33,73 Dollar mit 76% in etwa genauso stark ausgefallen
ist wie die aktuelle Baisse, die nicht mit einer globalen Rezession
verbunden ist. Und bei dem Rücksturz des Ölpreises im Jahr 1991 nach
dem Ende der Angst-Hausse des ersten Irak-Kriegs hat es sich nur um
eine Halbierung des Preises gehandelt. Nimmt man diese Vergleiche als
Maßstab, müsste der Tiefpunkt der Entwicklung bald erreicht sein.
Auf der anderen Seite war der Ölpreis im Gefolge der Asienkrise
des Jahres 1998 bis auf 10,65 Dollar abgerutscht, was
inflationsadjustiert einem aktuellen Wert von 15,47 Dollar
entspricht. Dies zeigt, dass es auch früher durchaus schon
Situationen gegeben hat, in denen dem Produzentenkartell Organisation
Erdöl exportierender Länder (Opec) und den anderen großen Anbietern
die Kontrolle über den Ölmarkt vollständig entglitten ist.
Wird der Ölpreis also noch weiter einbrechen? Die Rohstoffexperten
der britischen Standard Chartered halten dies für möglich. Sie halten
den aktuellen Rekord unter den Rohstoffanalysten, was die niedrigste
veröffentlichte Ölpreiserwartung betrifft. Eine Notierung von gerade
einmal 10 Dollar halten sie für denkbar, auch wenn sie darauf
hinweisen, dass ein solches Niveau absolut nichts mehr mit der
fundamentalen Lage auf dem Ölmarkt zu tun hätte. Damit haben sie die
Experten von Goldman Sachs abgelöst, die kurz vor Weihnachten mit der
Warnung Aufsehen erregt hatten, es seien Notierungen von 20 Dollar
denkbar.
Es gibt durchaus Gründe für anhaltenden Pessimismus. Die Nachfrage
nach dem Energieträger wird nach Einschätzung der Internationalen
Energieagentur IEA bis in die zweite Jahreshälfte hinein schwächeln,
wobei die weltweite Ölindustrie schon jetzt 1,5 Mill. Barrel pro Tag
(bpd) zu viel produziert. Bei dieser Ölflut könnten sogar die
weltweiten Lagerkapazitäten knapp werden. Zudem ist die Opec heillos
zerstritten, zwei der wichtigsten Mitglieder - Saudi-Arabien und der
Iran - unterhalten mittlerweile nicht einmal mehr diplomatische
Beziehungen.
Das Angebot dürfte noch weiter wachsen. Die Internationale
Atomenergiebehörde wird aller Voraussicht nach feststellen, dass der
Iran die Bedingungen des den Atomstreit beendenden Abkommens erfüllt
hat, so dass die Sanktionen gegen das Land in Kürze fallen werden.
Der Iran kann nun sofort 500.000 bpd zusätzlich auf den Markt werfen
und binnen sechs Monaten 1 Mill. bpd. Steht damit - aus Sicht der
Anbieter - das Armageddon des Ölmarktes bevor?
Ganz so schlimm wird es wohl nicht kommen. Die zusätzliche
iranische Produktion ist keine Überraschung mehr, sie dürfte längst
eingepreist sein. Das Land hat jüngst signalisiert, man werde bei der
Ausweitung mit Augenmaß vorgehen. Innerhalb der Opec nimmt der Druck
auf die momentan zunehmend erratisch agierende saudische Monarchie
zu, sie möge dazu beitragen, dass sich die Kontrahenten im Opec-Rund
zum Zweck der Preisstabilisierung zusammenraufen.
Damit würde die Opec bei dem Schwergewicht außerhalb des Kartells,
Russland, offene Türen einrennen. Die russische Regierung hat den
Staatshaushalt für das Jahr 2016 nämlich mit einem Ölpreis von 50
Dollar durchkalkuliert, was hinter den Kremlmauern allmählich
Panikgefühle aufkommen lässt - in der Regierungssprache heißt das,
man führe derzeit "Stresstests" mit verschiedenen Ölpreisszenarien
durch. Und Washington erwartet gar, dass die bislang überraschend
robuste US-Schieferölförderung bis September um 900.000 bpd
zurückgehen wird.
Daher ist damit zu rechnen, dass ganz allmählich eine Bodenbildung
des Ölpreises stattfindet, auch wenn die Marke von 30 Dollar vorerst
unter dem Eindruck des bevorstehenden Endes der Sanktionen gegen den
Iran gefallen ist.
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