29.12.2017 19:00:40

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Börsen-Zeitung: Der schöne Schein, Kommentar zum neuen Jahr von Claus

Döring

Frankfurt (ots) - Gibt es nicht schon genug Geld auf der Welt?

Haben die Notenbanken der USA, der Eurozone, Japans und

Großbritanniens nicht seit Jahren die Märkte mit Liquidität geflutet

und ihre Währungen geradezu verschenkt? Ausgerechnet auf dem

Höhepunkt dieser Entwicklung rückt ein neues, ein virtuelles Geld ins

Rampenlicht: der Bitcoin. Es fehlen ihm zwar wichtige Funktionen, die

eine Währung ausmachen, trotz seiner gelegentlichen Verwendung als

Zahlungsmittel. Aber zumindest eine Eigenschaft des Bitcoin sollte zu

denken geben: Der Bitcoin hat auch deshalb so an Wert gewonnen, weil

er nicht beliebig vermehrbar ist, sondern mit zunehmendem Aufwand

elektronisch geschürft werden muss. Und drücken die Preissprünge des

Bitcoin nicht auch den Protest gegen die von vielen Menschen mit

Misstrauen begleitete Geldpolitik der staatlichen Notenbanken aus?

Wenn offizielle Währungen ihre Besitzer nicht mehr vor realen

Vermögensverlusten zu bewahren vermögen, wächst der Wunsch nach

alternativen Währungen. In der Politik ist das ja nicht viel anders,

wo das Versagen etablierter Parteien alternativen Kräften den

Nährboden bereitet.

Zumindest die amerikanische Notenbank Fed steuert bereits um und

will weitere Leitzinserhöhungen folgen lassen. Möglicherweise zu

spät, zumal andere Institute wie die Europäische Zentralbank (EZB)

auch 2018 noch Anleihen aufkaufen. Die Bombe jedenfalls schlummert

schon in den Büchern der Fed, der EZB und der Bank of Japan. Deren

Bilanzen sind seit Ausbruch der Finanzkrise vor zehn Jahren durch die

unkonventionellen Maßnahmen der Geldpolitik bis heute viermal so

stark gewachsen wie das nominale Bruttoinlandsprodukt in diesen

Volkswirtschaften. Mit anderen Worten: Die enorme Liquidität floss in

andere Assets und blähte deren Preise auf, von Aktien bis zu

Immobilien.

Vor diesem Hintergrund wird die Freude über das sechste

Wachstumsjahr in Folge beim Dax 30 zur Sorge. Zwar geht jeder

Bullenmarkt irgendwann einmal zu Ende, doch die Fallhöhe ist nach

einem Zuwachs um 120% in den sechs Jahren beträchtlich. Daran ändert

auch nichts, dass die Bewertungen deutscher Aktien noch Abstand haben

zum US-Markt, der sich auf Allzeithoch bewegt. Der schöne Schein

eines stabilen konjunkturellen Umfelds und erfreulicher

Wachstumsaussichten für die USA, Europa und Asien täuscht darüber

hinweg, dass der Aufschwung äußerst fragil ist. Denn er geht einher

mit einer Zunahme der globalen Verschuldung auf mittlerweile 325% der

Weltwirtschaftsleistung. Die jahrelange Niedrig- und Nullzinspolitik

hat immer mehr Investoren auf der Suche nach Rendite in relativ

risikoreiche Assets gelockt. Schon die Normalisierung der

Zinsstrukturkurve kann da zum Auslöser der nächsten Krise werden.

Eines der Zeitungsbücher unserer Jahresschlussausgabe ist seit

jeher mit "Marktchancen" überschrieben. Auch in diesem Jahr. Warum

nicht "Marktrisiken", zumal uns 2018 weitere, vor allem politische

Gefahren begleiten werden: der Isolationismus der USA,

Nordkorea-Konflikt, Chinas Imperialismus im Südchinesischen Meer,

Spannungen in der Golfregion, Brexit und Katalonien-Separatismus in

Europa? Nur wer um die Risiken weiß, kann die Chancen erkennen, die

es in jeder Marktsituation gibt. Die Redaktion hofft, mit dieser

Jahresschlussausgabe einen Beitrag zu leisten, dass unsere Leser die

Chancen des Jahres 2018 erkennen und nutzen.

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Telefon: 069--2732-0

www.boersen-zeitung.de

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