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30.10.2015 20:36:39

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Börsen-Zeitung: Draghi braucht den Dax, Marktkommentar von Stefan

Schaaf

Frankfurt (ots) - Der Euro gilt ja vielen als Leichtgewicht. Zu

Unrecht, wie sich in der abgelaufenen Handelswoche wieder einmal

zeigte. Die Gemeinschaftswährung berappelte sich sehr schnell wieder

nach dem ersten Schock darüber, dass in den USA die Leitzinsen

entgegen den Erwartungen doch im Dezember steigen könnten. Die

Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaftswährung hängt stark mit ihrer

veränderten Rolle als Finanzierungswährung an den globalen

Finanzmärkten zusammen. Dies hat auch Konsequenzen für das Bestreben

der Europäischen Zentralbank, über eine Abwertung der

Gemeinschaftswährung eine Reflationierung herbeizuführen.

Klassischerweise bestimmen Zinsdifferenzen beziehungsweise

erwartete Zinsdifferenzen den Kurs zweier Währungen. Dies war am

vergangenen Mittwoch kurzfristig auch zu beobachten: Die Federal

Reserve ließ sich die Tür für eine Zinserhöhung im Dezember offen,

während viele Marktakteure einen solchen Schritt abgehakt hatten. Die

Fed verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass sie bei ihrer

nächsten Sitzung am 16. Dezember nach der Datenlage entscheiden wird.

Mit dieser Wortwahl hat sie den Markt exakt dahin bewegt, dass dieser

eine Zinserhöhung nicht nur für möglich hält, sondern mit einer

Wahrscheinlichkeit von rund 50% wieder eingepreist hat. Dies genügte,

um die Rendite für zweijährige US-Staatsanleihen, die als guter

Indikator für Zinserwartungen gelten, in die Höhe schießen zu lassen.

Damit weitete sich die Zinsdifferenz zu Bundesanleihen und anderen

Euro-Staatsanleihen aus. Die Folge war der kurzzeitige Kursrutsch des

Euro.

Doch der Kurs stabilisierte sich wieder. Dazu mag beigetragen

haben, dass die Preise in der Eurozone wieder etwas steigen, was

Spekulationen auf eine Ausweitung der EZB-Anleihekäufe dämpfte.

Allerdings wird der Euro-Dollar-Kurs nicht mehr nur von

Zinsdifferenzen zwischen den beiden Währungsräumen bestimmt. Die

Ursache dafür ist das tiefe Zinsniveau in der Eurozone. Das

ermöglicht es global tätigen Investoren, sich günstig in Euro zu

verschulden und das Geld in höher verzinsten Währungen wie dem

US-Dollar oder dem australischen Dollar anzulegen. Auch

Schwellenländer-Währungen werden angesteuert. Da diese Carry Trades -

wie alle Währungsspekulationen - eine riskante Angelegenheit sind,

werden sie in Phasen erhöhter Unsicherheit schnell wieder aufgelöst.

Das erklärt, warum der Euro im Frühsommer in die Höhe schoss, während

Griechenland knapp vor dem Ausstieg aus der Währungsunion stand und

dies Schockwellen durch die Finanzmärkte schickte. Da Märkte gern

historische Korrelationen und weniger den gesunden Menschenverstand

handeln, hat sich das Muster verfestigt: Der Euro steigt in Phasen

erhöhter Unsicherheit, wie sie sich am Volatilitätsindex VIX aus

Chicago festmachen lässt. Über die Risikoeinschätzung überträgt sich

wegen dieser Korrelation die Entwicklung an den Aktienmärkten

unmittelbar auf den Euro-Kurs.

Dies muss die EZB im Blick behalten, falls sie ab Dezember den

Euro weiter schwächen will. Sie wird dabei nur erfolgreich sein

können, wenn zugleich auch die Aktienmärkte steigen. In den

vergangenen Jahren funktionierte dies hervorragend, die Kurse legten

mit jeder Liquiditätswelle in den USA, in Japan oder Europa zu. Doch

es ist fraglich, ob dies auch im Fall von Euro QE2, einer zweiten

Runde der quantitativen Lockerung in der Eurozone, wieder so wäre.

Denn die Erwartungen an die Unternehmen sind hoch, teilweise gar zu

hoch. Das zeigt sich in der gerade laufenden Quartalssaison. Nicht

selten reagieren derzeit Aktien mit zweistelligen Kursverlusten, wenn

Unternehmen die Markterwartungen verfehlen oder ihre Prognose senken.

Eine von Gewinnrevisionen ausgelöste Korrektur der Aktienmärkte würde

eine sinkende Risikobereitschaft signalisieren, der Euro-Kurs dürfte

steigen. Damit wäre das EZB-Ziel der Reflationierung über Abwertung

in Gefahr. Um erfolgreich zu sein, braucht Mario Draghi den Dax.

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