23.06.2015 19:59:39

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Börsen-Zeitung: Freie Fahrt für Prozykliker, Kommentar zum Aktienmarkt

von Dietegen Müller

Frankfurt (ots) - Im Jahr 1703 fragte der Baseler Mathematiker

Jakob Bernoulli den deutschen Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz,

warum die Wahrscheinlichkeit kalkulierbar ist, mit der sich mit zwei

Würfeln eine Sieben statt einer Acht würfeln lasse, aber nicht

prognostizierbar sei, inwieweit ein Zwanzigjähriger einen

Sechzigjährigen überlebe. Bernoulli schlug gleich eine Lösung vor:

Eine genügend große Anzahl Fälle erlaube es, die Wahrscheinlichkeit

für die Überlebensrate auszurechnen. Leibniz konterte: Die Natur gebe

zwar Muster für wiederkehrende Ereignisse vor, aber nur für den

größten Teil, nicht für alle. Diese Unsicherheit, wie der Rest

ausgehen könnte, ist das Risiko. Vorsichtige Investoren wissen trotz

ausgeklügelter Risikomodelle, dass sie nichts wissen. Im Einzelfall

ist alles anders, siehe oben und siehe Griechenland.

Warum steigen jetzt Anleihe- und Aktienkurse, wenn eine tragfähige

Lösung für Griechenland doch gar nicht in Sicht ist? Aber wer maßt

sich schon an, zu wissen, wie es mit Griechenland weitergehen wird?

So bleibt die Mainstream-Auffassung, dass gemessen an

Wirtschaftskraft und Vernetzungsgrad die hellenische Republik relativ

unbedeutend ist. Den Takt geben vielmehr weiter die Notenbanken an -

und ihre geldpolitischen Nuancen. Langfristige Auswirkungen der

schrägen griechischen Tragödie für die Währungsunion wird es sicher

geben. Bloß ist unklar, welche es sein werden.

Wer jetzt investieren muss, interessiert sich für solche

philosophischen Betrachtungen nicht. Nehmen wir einen

durchschnittlichen deutschen Versicherer. Er sitzt auf einem Berg

festverzinslicher Papiere, richtig - dort, wo viele die größte Bubble

und das nächste Liquiditätsproblem vermuten. Ringsum sieht er nun

wieder haussierende Kurse. Was wird er tun? Es lässt sich eine

Wahrscheinlichkeit für Investitionsentscheide formen. Der bequemste

Weg - er bedeutet ja immerhin eine Art Diversifikation - wird sein,

die niedrige Aktienquote langsam hochzufahren.

Es zählen Argumente wie diese: Anleihen werden zu riskant, werfen

kaum Rendite ab. Ohne Schocks wie ein Default dürften gerade relativ

gesehen günstige europäische Aktien von der anziehenden Konjunktur

profitieren. Was spricht da schon gegen Blue Chips wie Deutsche Post,

BASF oder Siemens, die für ein vorausschauendes

Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter 15 zu haben sind - weit unter den

Dax-Bewertungen der Neunziger Jahren oder jener des S&P 500? Ob der

Kauf risikoträchtig ist, wird sich erst weisen. Prozyklisch ist er

sicher. Und herdenhafte Risikoaversion schafft neue Risiken.

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