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21.07.2014 20:44:53

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Börsen-Zeitung: Unfertiges Lohnkalkül, Kommentar zur Bundesbank von

Stephan Lorz

Frankfurt (ots) - Wenn die Deutsche Bundesbank - der

Gewerkschaftsnähe eher unverdächtig - plötzlich einen größeren

Schluck aus der Lohnpulle fordert, ist die Überraschung groß und der

Beifall von Arbeitnehmervertretern sowie der Politik kommt auf dem

Fuße. Denn über Jahre waren es die Frankfurter Bundesbanker, die an

vorderster Stelle vor "überzogenen Tarifabschlüssen" gewarnt und ihre

ganze Autorität in die Zügelung von Lohnforderungen geworfen hatten.

Die Sorge vor einer sich anbahnenden deflationären Entwicklung hat

sie offenbar umdenken lassen. Nun forderten sie dem Vernehmen nach

bei einem Zusammentreffen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, die

Arbeitnehmer sollten künftig nicht mehr so bescheiden auftreten wie

bisher. Dabei können sich die Erwerbstätigen schon jetzt über das

kräftigste Lohnplus seit 15 Jahren freuen: Mit 3,1% stiegen die

Tarifgehälter im laufenden Jahr stärker als die Teuerung.

Mit ihrer Forderung allein an die Tarifparteien macht es sich die

Bundesbank aber zu einfach, wenn sie die Deutschen in den Konsum

treiben und eine Teuerungswelle lostreten möchte. Sie muss dabei

schon auch die Bundesregierung mit in das Kalkül nehmen. Denn zur

selben Zeit verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass "kein

Raum" für einen Abbau der kalten Progression bestehe - trotz

sprudelnder Steuereinnahmen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Erst jüngst

verabschiedete, milliardenteure Ausgabenprogramme in den

Sozialversicherungen saugen den finanziellen Bewegungsspielraum

sofort wieder ab. Von den schwerwiegenden Folgen für die

Wettbewerbsfähigkeit des Investitionsstandorts ganz zu schweigen.

Während im Ausland ein "Deutsches Jahrhundert" ausgerufen und das

"Jobwunder" gerühmt wird, zeigen sich schon erste konjunkturelle

Eintrübungen: die geopolitische Unsicherheit, die dilettantisch

umgesetzte Energiewende und Milliardenlasten durch unverantwortliche

Ausgabenprogramme zehren am Nimbus der heimischen Wirtschaft.

Gewiss, angesichts der sich über Jahre angesammelten

Kaufkraftverluste ist eine Trendwende in der Lohnentwicklung

überfällig. Aber die Bundesbank darf den Staat nicht aus seiner

Verantwortung für das Wohl der Wirtschaftsbasis entlassen. Hält sich

Berlin steuerpolitisch nämlich nicht stärker zurück, wäre der Fiskus

der größte Nutznießer von Lohnsteigerungen. Sie würden über die kalte

Progression unmittelbar bei ihm landen - und nicht zunächst die

Kaufkraft der Verbraucher stärken.

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