10.11.2022 19:34:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Domino Day, Kommentar zum Kryptomarkt von Alex Wehnert
Domino Day, Kommentar zum Kryptomarkt von Alex Wehnert
Frankfurt (ots) - Der 9. November könnte als "Domino Day" in die Geschichte des
Kryptomarkts eingehen. Unter diesem Titel liefen im Fernsehen früher
Veranstaltungen, in deren Rahmen Weltrekorde an gefallenen Spielsteinen in einer
Kettenreaktion aufgestellt werden sollten. Ein solcher Domino-Effekt dürfte sich
bei einer Insolvenz der Kryptobörse FTX auch durch die Digital-Assets-Branche
ziehen - mit anderen Handelsdienstleistern, Lendern, Brokern und Hedgefonds als
Spielsteinen, die der Reihe nach und in zunehmend rapider Geschwindigkeit
umkippen.
Schließlich sind FTX, ihr Gründer Sam Bankman-Fried und dessen Tradinghaus
Alameda Research eng mit dem restlichen Krypto-Ökosystem verbunden. Alameda
kündigte am Donnerstag an, den Handel einzustellen. Und dass FTX in die Pleite
rutscht, ist bereits seit Mittwochabend noch ein gutes Stück wahrscheinlicher
geworden. Denn zu diesem schicksalhaften Zeitpunkt zerschlug sich die Hoffnung
auf eine Rettung durch Marktführerin Binance, die am Dienstag noch überraschend
Übernahmeabsichten in Bezug auf die angeschlagene Konkurrentin erklärt hatte. So
stieß Binance bei ihrer Due Diligence auf eine massive Lücke zwischen Assets und
Verbindlichkeiten von FTX - diese soll sich auf bis zu 8 Mrd. Dollar belaufen.
Laut dem in kurzer Zeit tief gefallenen Bankman-Fried benötigt die
Plattformbetreiberin 4 Mrd. Dollar, um solvent zu bleiben. Dem einst als
Wunderkind gefeierten 30-Jährigen, dessen Vermögen zuletzt binnen eines Tages
von über 15 Mrd. Dollar auf weniger als 1 Mrd. Dollar einbrach, bleibt nun nur
noch übrig, um Finanzierungen zu betteln. Ob diese in Form von zusätzlichem
Eigenkapital oder Krediten zustande kommen, ist Bankman-Fried dabei inzwischen
wohl vollkommen egal.
Dabei stellt sich allerdings die Frage, wer mutig oder dumm genug ist, dem
einstigen Hoffnungsträger der Kryptoszene jetzt noch zur Seite zu springen.
Mehrere zahlungskräftige Geldgeber wie Blackrock oder Softbank haben sich an
ihren Investitionen in FTX die Finger verbrannt, die Venture-Gesellschaft
Sequoia hat den gesamten Wert ihrer Beteiligung an FTX.com und FTX.us bereits
abgeschrieben.
Vor allem ist problematisch, dass potenzielle Investoren das verzweigte Imperium
von Bankman-Fried kaum durchschauen können. So ist FTX eigentlich im Begriff,
die Assets des kollabierten Brokers Voyager für 1,4 Mrd. Dollar zu übernehmen,
dem Alameda im Juni mit einem Darlehensvertrag über 500 Mill. Dollar unter die
Arme gegriffen hatte. Möglicherweise zählt Bankman-Fried zudem zu den Bietern
für die insolvente Lending-Plattform Celsius Network.
Durch die Schieflage von FTX reduziert sich nun indes die Zahl der
bilanzkräftigen Unternehmen im Kryptosegment, die in Notlage geratenen
Wettbewerbern als Liquiditätsprovider beispringen können. Eine neue
Insolvenzwelle im Markt könnte daher noch stärkere Verwüstungen anrichten als
die durch den Crash des Stablecoins Terra USD losgetretene Pleitenserie aus dem
Frühjahr. Die Ratingagentur Moody's warnt bereits davor, dass Notlagen im
Kryptokosmos bei einem substanziellen Aufbau des Leverage auch auf das
Bankensystem übergreifen könnten. Der erste Stein, der eine solch weitreichende
Krise auslösen könnte, fällt gerade.
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