12.01.2021 20:29:38
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Erst prüfen, dann auszahlen, Kommentar zum Modehandel von Martin
Dunzendorfer
Frankfurt (ots) - Eine schwere und anhaltende Krise, zumal eine globale,
verleitet in vielerlei Hinsicht dazu, nicht mehr zu differenzieren. Wenn der
Handelsverband Deutschland (HDE) und der Handelsverband Textil (BTE) die
ausbleibenden finanziellen Hilfen für die von zwei Lockdowns hart getroffene
Modebranche monieren, ist das nicht nur legitim, sondern Teil ihres Auftrags.
Schließlich hatte die Bundesregierung der Wirtschaft nach der neuerlichen
Zwangsschließung von Läden schnelle und unbürokratische Hilfen für November und
Dezember zugesagt. Bislang ist aber nur ein Bruchteil der vorgesehenen Gelder,
die als Entschädigung für Umsatzausfälle konzipiert sind, bei den Unternehmen
angekommen.
Unerwähnt bleibt freilich, dass zahllose Branchenvertreter - insbesondere
stationäre Textilhändler - schon lange, bevor sich Covid-19 ausbreitete, am
Rande der Insolvenz agierten.
Esprit, Karstadt Kaufhof, Sinn, Appelrath Cüpper, Hallhuber und nun auch noch
Adler: Viele bekannte deutsche Modehändler haben seit Beginn der Coronakrise ihr
Heil in Insolvenzverfahren suchen müssen. Die Frage muss erlaubt sein, wie lange
sich diese Unternehmen ohne die Pandemie noch über Wasser gehalten hätten. Fast
alle der genannten Firmen kämpften seit Jahren gegen den Exitus - selbst in
"Goldilocks"-Zeiten. Gewiss, schon der erste Lockdown traf die Branche hart:
Große Teile der Frühjahrs- und Sommerkollektion blieben liegen. Und nun stapelt
sich die Winterware in den Regalen, weil seit Mitte Dezember die Läden abermals
nicht mehr öffnen dürfen. Darüber hinaus muss jetzt die Frühjahrs- und
Sommerkollektion geordert und bezahlt werden. Zu deren Finanzierung muss die
Winterware wohl zu einem wesentlichen Teil unter Einkaufswert verkauft werden.
Gleichzeitig fallen weiter Kosten an wie Mieten für Geschäftsräume und für das
Personal.
Der Handelsverband Textil sagt eine Pleitewelle in der Branche mit dem Verlust
von über 100000 Arbeitsplätzen voraus, wenn sich die Politik nicht endlich in
die Bresche werfe. Einer HDE-Erhebung zufolge fürchten 61 Prozent der befragten
Textilhändler, 2021 ihr Geschäft aufgeben zu müssen. Es drohten verwaiste
Innenstädte. Diese Schreckensszenarien sind aber kein Grund, nun undifferenziert
das Füllhorn öffentlicher Gelder über der Modebranche auszuschütten. Anträge,
aus denen hoffentlich hervorgeht, ob ein Unternehmen in normalen Zeiten ohne
staatliche Hilfen überleben kann, sind keine Zumutung, sondern ein Muss. Ebenso
deren sorgfältige Prüfung. Auch wenn das dauert.
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