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06.07.2022 20:48:38

OTS: Börsen-Zeitung / Gekapert, Kommentar zur EU-Taxonomie von Andreas Heitker

Gekapert, Kommentar zur EU-Taxonomie von Andreas Heitker

Frankfurt (ots) - Die Entscheidung der EU-Kommission, Investitionen in die Atom-

oder Gaswirtschaft einen grünen Stempel zu verpassen, um ihnen bessere

Finanzierungsoptionen zu geben, steht juristisch auf äußerst wackeligem Grund:

Denn zum einen hat die Behörde hierfür einen Delegierten Rechtsakt genutzt, der

eigentlich nur zur Regelung von technischen Details vorgesehen ist, aber

beileibe nicht, um hochpolitische gesellschaftliche Auseinandersetzungen zu

lösen - wie in diesem Fall etwa der Umgang mit der Atomenergie. Zum anderen

scheinen die Atom- und Gaspläne an verschiedenen Stellen der zugrundeliegenden

Taxonomie-Verordnung zu widersprechen.

Man könnte auch sagen: Die EU-Kommission hat das noch junge

Klassifizierungssystem für nachhaltige Investments gekapert, um es als

Instrument der Energiepolitik zu nutzen. Neues Ziel: Versorgungssicherheit. Der

Delegierte Rechtsakt, mit dem die Behörde Atom und Gas als grün labelt, ist ein

ausbalancierter politischer Kompromiss zwischen den EU-Ländern. Solche

Kompromisse haben aber in einem System, das eigentlich ganz und gar auf objektiv

nachprüfbare wissenschaftliche Kriterien setzt, nichts verloren. Die Taxonomie

für umstrittene, interessengetriebene Entscheidungen zu öffnen, bedeutet, sie

zum Spielball der Politik zu machen. Und damit wird sie unglaubwürdig. Dies ist

auch der Grund, warum die Finanzwirtschaft selbst das grüne Label für Atom und

Gas eher ablehnt. Ob Investoren oder Fondsanbieter - beim Thema Nachhaltigkeit

sind klare Vorgaben gefragt.

Das EU-Parlament hat ein Veto jetzt doch relativ klar verpasst. Mehr als 70

Abgeordnete fehlten am Mittwoch, um die umstrittene Taxonomie-Entscheidung noch

zu stoppen. Dies ist durchaus überraschend, ist doch in den vergangenen vier

Monaten viel über die Gaswirtschaft und die europäischen Abhängigkeiten von

Gasimporten diskutiert worden. Ist es da wirklich angebracht, jetzt über

günstige Finanzierungsbedingungen für die Branche zu entscheiden?

Hinzu kommt: In den einzelnen nationalen Energiepolitiken können Atom- oder

Gaskraftwerke im Übergang ja durchaus noch eine Rolle spielen. Doch hierfür muss

es dann auch Finanzierungsoptionen jenseits von Nachhaltigkeitsfonds geben.

Fehlende Taxonomie-Konformität ist ja nicht mit einem Investitionsverbot

gleichzusetzen.

Es dürfte noch spannend werden, wie vor Gericht die Klagen entschieden werden.

Es dürfte aber ebenso spannend werden, wie die Investoren künftig mit der

Taxonomie umgehen.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

Telefon: 069--2732-0

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OTS: Börsen-Zeitung

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