28.02.2020 20:35:40

OTS: Börsen-Zeitung / Im Panikmodus, eine Marktanalyse von Wolf Brandes

Im Panikmodus, eine Marktanalyse von Wolf Brandes

Frankfurt (ots) - Erst die gute Nachricht: Die Bank of America (BoA) ist sicher,

dass die Märkte aufhören, in Panik zu geraten, wenn sich unter den politischen

Entscheidungsträgern das Entsetzen breitmacht. Und mit dem März breche der Monat

der politischen Panik an. Die Fed werde die Zinsen senken, und China sowie

Europa würden fiskalische Maßnahmen ergreifen, um die Folgen des Virus

abzufangen.

Die Märkte können gute Nachrichten gebrauchen. Seit dem 19. Februar fiel der Dax

um 13,8 Prozent. So scharf wie die Reaktion ausfiel, so unterschiedlich sind die

Bewertungen der Analysten. Carsten Klude von M.M. Warburg spricht von einer

"längst überfälligen Korrektur", die sich fortsetzen dürfte, bis der

wirtschaftliche Schaden durch das Virus erkennbar ist. Klude hat die Aktienquote

etwas reduziert und wartet darauf, dass "sich der Nebel etwas gelichtet hat".

Dass die Seuche wirtschaftliche Folgen haben wird, dämmert selbst den größten

Optimisten. Ein erheblicher Teil des Konsums werde für immer verloren gehen,

schreibt Neil Robson, Aktien-Chef bei Columbia Threadneedle: "Wir könnten zwar

immer noch ein Smartphone ersetzen, aber es ist unwahrscheinlich, dass wir das

neue Frühjahrssaison-Outfit kaufen werden", falls sich das Virus im Sommer

verabschiedet haben sollte.

Wer als Fondsmanager überwiegend in Aktien investiert sein muss, überlegt sich

Ausweichstrategien. Da das Coronavirus die Wachstumswerte in den Keller

geschickt hat, sieht Sébastien Galy von Nordea Value-Aktien als sicheren Hafen.

Sie sorgten "für Widerstandsfähigkeit". Und das Anlegermagazin "Fairvalue" will

Nahrungsmittelaktien als solide ausgemacht haben, getreu dem Motto "gegessen

wird immer" - oder dachten die Autoren an Hamsterkäufe?

Ungeachtet aller Panik gibt es noch echte Bullen. David Wehner, Portfoliomanager

bei der Do Investment, hat "erneut antizyklisch Positionen im

EuroStoxx-50-Index-Future gekauft".

Noch überwiegen an der Börse jedoch die Verkäufe - und die Rufe nach der

rettenden Geld- und Fiskalpolitik. Die Märkte preisen zwei Zinssenkungen der Fed

ein. Auch die Erwartung an die EZB, die Geldpolitik weiter zu lockern, wächst.

Doch in Sachen Fiskalpolitik sehen manche Strategen schwarz. Mark Dowding von

Bluebay stellt frustriert fest: "Finanzminister Olaf Scholz hat diese Woche für

eine fiskalische Lockerung plädiert, aber die Dinosaurier um Kanzlerin Angela

Merkel haben die Diskussion schnell wieder beendet."

Andere halten ohnehin nichts von der Geldspritze durch Staat oder Notenbank.

"Eine Stimulierung der Nachfrage durch die Notenbanken ist beinahe nutzlos, wenn

die globalen Lieferketten unterbrochen sind", argumentiert Seema Shah von

Principal Global Investors und liegt damit auf einer Linie mit

Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der Maßnahmen der EZB als Antwort auf die

Ausbreitung des Coronavirus derzeit nicht für erforderlich hält. "Das ist

geldpolitisch eine sehr komplexe Frage, die aus meiner Sicht kein akutes

geldpolitisches Handeln erfordert."

Eine Haltung, die Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sehr bedauern dürfte.

Weil die Maßnahmen immer erst mit einer Verzögerung wirken würden, "könnte der

Nachfrageimpuls für die Wirtschaft um die Jahreswende 2020/21 sogar etwas

stärker ausfallen, als dies ohne den Ausbruch des Virus der Fall gewesen wäre",

sagt er.

Solange die Unruhe an den Märkten anhält, suchen die Investoren nach sicheren

Anlagealternativen. "Die Nachfrage ist derart hoch, dass wir bei den Renditen

zehnjähriger US-Staatsanleihen vor historischen Tiefständen stehen",

kommentierte Lidia Treiber von Wisdomtree und wurde sogleich von der Realität

eingeholt. Die DZ Bank geht davon aus, dass im Falle einer Lockerung der

Geldpolitik die zehnjährigen Bund-Renditen weiter fallen. "Im Zuge einer

Corona-Pandemie könnte sogar das bisherige Renditetief bei etwa -0,75 Prozent

erneut in den Fokus rücken."

Ähnlich gefragt wie Anleihen war Gold als Krisenabsicherung. Der

"Risk-off-Modus" hievte den Goldpreis nach oben. Allerdings gab es Rücksetzer.

"Wir führen dies auf Zwangsverkäufe zurück, um anderweitige Verluste aufzufangen

und um sogenannte Margin Calls zu erfüllen", vermuten die Analysten der

Commerzbank.

Zur guten Nachricht vom Anfang fehlt noch die schlechte Nachricht der BoA, die

daran erinnert, dass es an den Märkten nicht nur ein Coronavirus-Risiko gibt.

Die größte Gefahr drohe vom Bondmarkt und von dem Platzen einer Blase. Verwiesen

wird auf die extremen Volumina in Anleihen-ETFs, die Viruswirkungen auf

gehebelte Strukturen und die Ausweitung der Kreditversicherungen. BoA spricht

von einem "Geist in der Maschine".

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

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OTS: Börsen-Zeitung

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