07.06.2021 20:15:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Naive Hoffnung / Kommentar zum Chipmangel in der ...
Naive Hoffnung / Kommentar zum Chipmangel in der Autoindustrie von
Sebastian Schmid
Frankfurt (ots) - Bosch hat am Montag eine Halbleiterfabrik in Dresden eröffnet
und damit die Bedeutung von "Silicon Saxony" für die europäische Chipfertigung
weiter gesteigert. Jeder dritte in Europa produzierte Halbleiter kommt bereits
aus der Region, der dennoch nur eine geringe Rolle in der globalen
Halbleiterversorgung zukommt. Die Knappheit, die in dem Markt weiter vorherrscht
und von der primär die Automobilhersteller betroffen sind, wird das neue
Bosch-Werk jedenfalls nicht beheben - auch wenn auf dem Nachbargrundstück genug
Platz ist, um das Werk dort zu spiegeln und die Produktionskapazität damit zu
verdoppeln.
Bosch-Chef Volkmar Denner rechnet ohnehin damit, dass sich der Halbleitermangel
noch bis ins zweite Halbjahr 2022 hineinziehen kann. Der in Singapur ansässige
Auftragsfertiger Flex fürchtet gar, dass sich die Knappheit für bestimmte
Halbleiter bis ins Jahr 2023 hinziehen könnte. Entsprechend werden Kapazitäten
längst nicht nur in Europa, sondern global ausgebaut. Die EU plant dabei bis
2030 eine Verdopplung ihres Anteils an der weltweiten Halbleiterproduktion. An
diesem Mittwoch sollen die Details zu den ambitionierten Plänen vorgestellt
werden, denen sich im Grundsatz bereits mehr als 20 Länder angeschlossen haben.
"Wir möchten zurück zu unserem früheren Marktanteil an der Produktion", erklärte
EU-Industriekommissar Thierry Breton. Der ehemalige CEO von France Telecom führt
den Absturz des europäischen Marktanteils auf eine zu große Naivität in der
Vergangenheit zurück.
Gewagt ist allerdings auch das Ziel Bretons, Europa zu früheren Marktanteilen
zurückzuführen. Denn selbst wenn das ambitionierte Ziel der Verdopplung des
Anteils bis 2030 auf 20% gelingen würde, wäre Europa noch nicht einmal bei der
Hälfte des Anteils von 1990. Laut Boston Consulting Group kommen Taiwan,
Südkorea und Japan aktuell auf 60% Marktanteil. Neben Europa bauen die USA und
China ihre Halbleiterfertigung mit Macht aus, so dass es wohl schon eines
enormen Wachstums bedarf, um nur den aktuellen Anteil von 10% zu halten.
Viel Geld bereitzustellen, wird kaum dafür sorgen, dass Halbleiterwerke
plötzlich wie Pilze aus dem Boden schießen. Saftige Subventionen sind in der
Branche global üblich. Was nötig wäre, ist ein Bürokratieabbau, der schnelle
Projekt-Umsetzungen sowie Rechtssicherheit bietet. Dass sich die in Europa
üblichen bürokratischen Verfahren mit dem global höchsten Wachstumstempo paaren
lassen, mag eine Hoffnung sein, aber diese wäre dann auch reichlich naiv.
(Börsen-Zeitung, 8.6.2021)
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