07.01.2020 20:30:41

OTS: Börsen-Zeitung / Wackeliges Fundament, Kommentar zum Wahlerfolg von ...

Wackeliges Fundament, Kommentar zum Wahlerfolg von Sanchez in Spanien

von Thilo Schäfer

Frankfurt (ots) - Die gute Nachricht zuerst: Spanien hat nach zehn Monaten und

zwei Parlamentswahlen wieder eine voll handlungsfähige Regierung, die Reformen,

andere Initiativen und einen neuen Haushalt anpacken kann. Genau genommen

herrscht hinter den Pyrenäen bereits seit gut vier Jahren politischer

Stillstand, obwohl dieser freilich die robuste konjunkturelle Entwicklung nicht

merklich beeinflusst hat. Die schlechte Nachricht ist jedoch, dass die

Minderheitsregierung des Sozialisten Pedro Sánchez mit den Linken von Unidas

Podemos auf wackeligem Fundament steht.

Vor allem die Abhängigkeit von den Stimmen der katalanischen Separatisten der

ERC könnte in Zukunft Kopfschmerzen bereiten. Sánchez hat mit der ERC bilaterale

Verhandlungen zur Lösung des territorialen Konflikts in Katalonien, wo knapp die

Hälfte der Gesellschaft die Unabhängigkeit befürwortet, vereinbart. Die

Entwicklungen in der langjährigen Krise sind unberechenbar, nicht zuletzt durch

die interne Dynamik im heterogenen Lager der "independentistas". Für Sánchez ist

die Kernforderung der Separatisten nach einem Unabhängigkeitsreferendum ein

Tabu. Dennoch sind die Verhandlungen zwischen Madrid und Barcelona eine Chance,

und sei es nur, um die Gemüter etwas zu beruhigen.

Doch auch das Zusammenleben mit Unidas Podemos in der ersten Koalitionsregierung

der spanischen Demokratie auf nationaler Ebene seit dem Ende der Franco-Diktatur

birgt Risiken. Die während der Parlamentsdebatte zur Wiederwahl von Sánchez

inszenierte Harmonie zwischen Sozialisten und Linken kann nicht darüber

hinwegtäuschen, dass sich beide bis vor kurzem noch bitter bekämpft und

gegenseitig das Vertrauen abgesprochen hatten. Unidas Podemos wird bei ihrer

sozial- und wirtschaftspolitischen Agenda ehrgeizigere Ziele verfolgen als

Sánchez, dem die Rolle des Hüters der Staatsfinanzen zukommt.

Leider hat die rechte Opposition in der Debatte keinen Zweifel daran gelassen,

dass sie jegliche Zusammenarbeit mit Sánchez ausschließt. Konservative, Liberale

und Rechtsextreme lieferten sich einen sterilen Wettkampf in

Patriotismusbekundungen und extrem scharfen Angriffen auf die Linken. Große und

dringend nötige Reformen, etwa des Rentensystems oder der Regionalfinanzierung,

werden daher keine überparteiliche Zustimmung erhalten. Das gilt wohl auch für

die von Sánchez anvisierte Überholung des Wahlsystems, mit der lange politische

Blockaden künftig vermieden werden sollen.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

Telefon: 069--2732-0

www.boersen-zeitung.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/30377/4485976

OTS: Börsen-Zeitung

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!