07.06.2017 14:02:40

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Höherer Schaden: Staat verlor mindestens 31,8 Milliarden Euro durch

Steuertricks mit Aktien

Hamburg (ots) - Der Schaden durch Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte

ist für den Staat weitaus größer als bisher bekannt. Das ergeben

Berechnungen der Universität Mannheim für das NDR-Magazin "Panorama"

(Das Erste), die Wochenzeitung "Die Zeit" und "Zeit Online".

Durch solche Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag

(sogenannte Cum-Cum und Cum-Ex-Geschäfte), deren einziger Zweck die

Erzielung von Steuervorteilen war, sind dem Staat nach einer

Berechnung der Universität Mannheim seit 2001 mindestens 31,8

Milliarden Euro entgangen. Der Finanzwissenschaftler Professor

Christoph Spengel, der auch als Sachverständiger für den

Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Bundestags tätig war, hat dazu für

"Panorama", "Die Zeit" und "Zeit Online" historische Marktdaten

ausgewertet. Bei beiden Geschäften geht es im Kern darum, sich

Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen, die einem eigentlich nicht

zusteht. "Es ist der größte Steuerskandal in der Geschichte der

Bundesrepublik", sagt Spengel.

Bei Cum-Cum-Geschäften hilft eine inländische Bank einem

ausländischen Investor dabei, eine Steuerrückzahlung zu ergattern,

auf die dieser keinen Anspruch hat. Der Gewinn wird aufgeteilt. Durch

Cum-Cum Geschäfte sind dem Staat nach der Berechnung Spengels seit

2001 mindestens 24,6 Milliarden Euro entgangen, rund 1,5 Milliarden

Euro pro Jahr. Cum-Ex-Geschäfte sind damit verwandt, aber weitaus

komplizierter. Sie laufen darauf hinaus, dass eine Steuer einmal

abgeführt und mehrfach - in der Praxis offenbar bis zu zehn Mal - vom

Fiskus zurückgefordert wird. Zwischen 2005 und 2012, als diese

Geschäfte unterbunden wurden, entstand den Berechnungen zufolge durch

Cum-Ex ein Schaden von mindestens 7,2 Milliarden Euro, also von

durchschnittlich gut einer Milliarde Euro pro Jahr. "Der Schaden

durch Cum-Ex-Geschäfte dürfte insgesamt noch höher liegen, da sie

auch schon vor 2005 getätigt wurden", so Spengel.

Das bestätigt auch der frühere Börsenaufseher und hessische

Staatskommissar August Schäfer gegenüber "Panorama", "Die Zeit" und

"Zeit Online". Schäfer hatte bereits 1992 in einem geheimen Bericht

auf die Praktiken aufmerksam gemacht. Er beschreibt darin vor allem

Cum-Cum-Geschäfte, warnt aber auch, dass diese so angepasst werden

können, dass es zur "Produktion von doppelten Steuerbescheinigungen"

komme. Diese Variante bezeichnet man heute als Cum-Ex. Zusammen, so

Schäfer, seien es bereits damals "weit mehr als 500 Millionen D-Mark

pro Jahr" gewesen. Über den Bericht, sagt Schäfer, wurde auch der

damalige hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) informiert.

Eichel kann sich auf Nachfrage nicht an den Bericht erinnern. Auch

als Bundesfinanzminister habe er von Cum-Cum oder Cum-Ex nichts

erfahren. 1998 wurde er Bundesfinanzminister unter Gerhard Schröder.

Unterbunden wurden die Cum-Ex-Geschäfte erst 2012, die

Cum-Cum-Geschäfte 2016.

Berechnungsmethode:

Für die Berechnung des Cum-Cum-Schadens hat Finanzwissenschaftler

Spengel die Dividendenzahlungen addiert, die von 2001 bis 2016 von

deutschen Unternehmen an ausländische Investoren geleistet wurden.

Legt man einen Kapitalertragssteuersatz von 15 Prozent zugrunde und

nimmt an, dass jeder zweite Anleger im Ausland die Cum-Cum-Methode

genutzt hat, ergibt sich der Betrag von 24,6 Milliarden Euro. Spengel

hält die Annahme noch für vorsichtig. "Der überwiegende Teil der

ausländischen Anleger sind institutionelle Anleger, also Banken und

Fonds. Sie wären schlecht beraten gewesen, die Methode nicht

anzuwenden." Den Schaden durch Cum-Ex-Geschäfte von 7,2 Milliarden

Euro schätzt Spengel auf Basis von Daten des Wertpapier-Abwicklers

Clearstream. Sie reichen bis 2005 zurück.

Zum Vergleich:

Die Schadenssumme von 31,8 Mrd. Euro beträgt deutlich mehr, als

die Bundesregierung im vergangenen Jahr für die Bewältigung der

Flüchtlingskrise ausgegeben hat, und mehr als dreimal so viel, wie

dem Bundesfamilienministerium als Etat zur Verfügung steht.

Theoretisch hätte der Staat mit dem Geld eine 1200 Kilometer lange

Autobahn oder 36 Elbphilharmonien bauen können.

"Panorama": Donnerstag, 8. Juni, 22.00 Uhr, Das Erste

www.Panorama.de

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