22.05.2016 14:22:45

Parlament in Athen stimmt über umstrittene Sparmaßnahmen ab

   Von Nektaria Stamouli und Klaus Brune

ATHEN/FRANKFURT (Dow Jones)--Am späten Sonntag wird das griechische Parlament aller Voraussicht nach über mehrere Gesetzesentwürfe abstimmen, mit denen Steuererhöhungen und weitere Einschnitte ins Sozialsystem des Landes umgesetzt werden sollen. Die Zustimmung der griechischen Parlamentarier gilt als wichtige Voraussetzung für die Genehmigung weiterer Hilfsgelder für das schuldengeplagte Land, über die die Finanzminister der Eurozone am Dienstag beraten wollen.

   Teil der Gesetzesentwürfe im Volumen von insgesamt 5,4 Milliarden Euro, über die das Parlament in Athen seit dem Samstag debattiert, sind auch sogenannte Vorratsbeschlüsse. Athen hatte sich zur Zustimmung zu diesen Gesetzesentwürfen verpflichtet, um neue Hilfsgelder aus dem dritten Kreditpaket im Umfang von insgesamt 86 Milliarden Euro bis 2018 zu erhalten, auf das sich Griechenland mit seinen Gläubigern im Juli 2015 geeinigt hatte. Zu dem Gesetzespaket gehören eine Vielzahl neuer Steuern auf Treibstoffe, Tabak, Alkohol, die Nutzung des Internets, Bezahlfernsehen, Hotelübernachtungen, Autos und eine Anhebung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt auf 24 Prozent.

Vorratsbeschluss besonders umstritten Zudem steht ein Rahmengesetz zur Abstimmung, das es den griechischen Banken ermöglichen wird, faule Kredite zum Verkauf zu stellen, sowie ein Gesetz zur Auflage einen neuen Privatisierungsfonds, der mit Anteilsverkäufen aus dem Vermögen des Staates die Staatsschulden reduzieren soll. Und schließlich müssen die Parlamentarier einem stark umstrittenen Vorratsbeschluss zustimmen, durch das die Staatsausgaben automatisch reduziert werden, wenn Griechenland seine Budgetziele verfehlt. In diesem Fall müsste Athen weitere Sozialleistungen streichen sowie die Gehälter und Renten der staatlichen Angestellten noch weiter kürzen.

   Die Europäischen Kommission und die Europäische Zentralbank gehen davon aus, dass Athen seine Schuldenziele und bis 2018 einen Haushaltsüberschuss vor Zinszahlungen von 3,5 Prozent erreichen kann, wenn das Parlament den Sparmaßnahmen zustimmt. Allerdings sind sich Athens Schuldner in der Bewertung der Lage nicht einig: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält die Schuldenlast des Landes nicht für tragbar und glaubt nicht daran, dass Athen ohne Erleichterungen von Seiten der Schuldner das 3,5-Prozent-Ziel erreichen kann.

Zustimmung der Regierungsparteien erwartet Politische Beobachter rechnen damit, dass das Sparpaket von den 153 Parlamentariern genehmigt werden wird, über die die Regierungskoalition aus linksgerichteter Syriza und ihrem rechten Juniorpartner Unabhängige Griechen verfügt. Die Regierung in Athen hofft, mit der Verabschiedung der Gesetzes das letzte Hindernis aus dem Weg zu räumen, so dass die Eurogruppe am Dienstag dringend benötigte weitere Hilfsgelder aus dem Paket vom letzten Juni freigibt.

   Unklar ist, wie viel Geld die Euro-Finanzminister am Dienstag freigeben könnten. Ursprünglich waren einmal 5,7 Milliarden Euro vorgesehen, doch inzwischen gibt es Überlegungen, Athen soviel Geld aus dem Programm auszuzahlen, dass das Land seine Verpflichtungen bis zum Ende des Jahres tragen kann. Ranghohe EU-Vertreter sprachen davon, dass die Eurogruppe bis zu zehn Milliarden Euro freigeben könnte.

IWF und Deutschland streiten sich um Schuldenerleichterungen Wegen der Streitigkeiten innerhalb der Gläubiger ist allerdings nicht ganz sicher, dass es am Dienstag tatsächlich zu einer Freigabe neuer Gelder kommt. Deutschland hat aber immer wieder betont, dass der IWF an Bord bleiben müsse, wenn Griechenland weitere Unterstützung erhalten solle. Der IWF hält die Prognosen der europäischen Partner jedoch für viel zu optimistisch und deutlich gemacht, er halte Schuldenerleichterungen für Athen zum jetzigen Zeitpunkt für notwendig. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble wiederum will über mögliche Schuldenerleichterungen aber erst sprechen, wenn das jetzige dritte Hilfsprogramm in seiner vereinbarten Form abgeschlossen ist.

   Dahinter stecken handfeste politische Überlegungen: Das jetzige Hilfsprogramm geht bis 2018 und damit über den Termin der nächsten Bundestagswahl hinaus. Über Schuldenerleichterungen für Athen will Berlin also erst nach der Wahl im Spätherbst 2017 verhandeln und das Thema damit aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten. Weil aber Griechenland schon im nächsten Monat Geld zur Rückzahlung von Krediten an die EZB benötigt, muss noch im Juni ein Kompromiss zwischen den Haltungen von Deutschland und des IWF gefunden werden. Entweder bleibt der IWF an Bord, oder es wird eine Auszahlung von Hilfsgeldern an Griechenland vereinbart, obwohl der IWF offiziell nicht dabei ist.

   Unterstützung bekam der IWF am Wochenende von US-Finanzminister Jacob Lew, der beim Treffen der G7-Finanzminister im japanischen Sendai seinen deutschen Amtskollegen dazu aufforderte, in der griechischen Schuldenfrage eine größere Flexibilität zu zeigen. Eine "bedeutsame" Schuldenerleichterung sei aus seiner Sicht notwendig für das südeuropäische Land, so Lew laut einer Erklärung des US-Finanzministeriums. Schäuble selbst zeigte sich in Japan optimistisch, dass eine Einigung über die griechischen Schulden erzielt werden könne. Allerdings wisse er noch nicht, ob die Euro-Finanzminister eine Einigung schon am Dienstag erreichen können.

Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com DJG/DJN/kgb

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   May 22, 2016 07:51 ET (11:51 GMT)

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