22.02.2008 19:12:00

Presse: Steuersünderdatei enthält Namen von Bundestagsabgeordneten

        BERLIN (dpa-AFX) - Die Steuersünderdateien aus Liechtenstein sollen nach einem Zeitungsbericht auch Namen mehrerer Bundestagsabgeordneter enthalten. Möglicherweise sind sie aber bereits aus dem Parlament ausgeschieden. Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" (Samstag) sollen sich drei Parlamentarier der FDP und einer der Union darunter befinden. Koalitionskreise bestätigten der Deutschen Presse-Agentur dpa am Freitag entsprechende Hinweise. Widersprüchliche Informationen gibt es darüber, ob auch zwei SPD-Abgeordnete betroffen sind.

 

    Die Bundesregierung will Steueroasen wie Liechtenstein, Monaco und Andorra notfalls im Alleingang austrocknen. Sollten sich auf europäischer oder internationaler Ebene keine Fortschritte erzielen lassen, könnte der Geschäftsverkehr mit ihnen erschwert werden.

 

    Mit Blick auf den Bericht über die Involvierung von Abgeordneten verwies die in der Steueraffäre federführende Staatsanwaltschaft in Bochum auf Anfrage auf ihre für Dienstag angekündigte Zwischenbilanz. Der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag) sagte Oberstaatsanwalt Hans-Ulrich Krück: "Es stehen keine Ermittlungen gegen aktive Bundestagsabgeordnete bevor." Bei den Ermittlungen gegen 700 beschuldigte Anleger habe sich kein Hinweis auf derzeit im Bundestag sitzende Abgeordnete ergeben. "In keinem Falle ist die Aufhebung der Immunität beantragt worden oder geplant." Eine Immunitätsaufhebung wäre Voraussetzung für förmliche Ermittlungen gegen aktive Abgeordnete. Dem Bundestag lagen nach Angaben der Pressestelle keine Hinweise darauf vor, dass derzeitige Parlamentarier betroffen sein könnten.

 

    Die FDP-Fraktion erklärte in einer Mitteilung: "Uns ist von derartigen Vorwürfen nichts bekannt." Eine Sprecherin der CDU/CSU- Fraktion sagte auf Anfrage: "Der Fraktion liegen darüber keine Informationen vor." Auch die CDU als Partei hatte nach eigenen Angaben keine Hinweise.

 

    Erster und bisher prominentester enttarnter mutmaßlicher Steuersünder ist der inzwischen zurückgetretene Post-Chef Klaus Zumwinkel. Die Steueraffäre war durch Daten der liechtensteinischen LGT-Bank ins Rollen gekommen, die der Bundesnachrichtendienst (BND) erhalten hatte. Mehrere hundert vermögende Deutsche sollen über liechtensteinische Stiftungen Steuern hinterzogen haben. Die Bundesregierung drängt Liechtenstein zu einer Änderung der Finanzpraxis.

 

    Auch beim Besuch von Fürst Albert II. von Monaco am Mittwoch in Berlin will die Kanzlerin deutliche Worte finden, wie Vize- Regierungssprecher Thomas Steg sagte. Von Monaco erwarte Deutschland, dass es Grundsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) akzeptiere. Die OECD hat neben Liechtenstein Monaco und Andorra ebenfalls als unkooperative Steueroasen eingestuft.

 

    Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) betonte, zwar würden vor allem international abgestimmte Lösungen angestrebt. Es müsse aber auch auf bilateraler Ebene über Maßnahmen nachgedacht werden, "die zu einer gewissen Belastungsprobe führen können", bekräftigte er am Donnerstagabend im ZDF. Vorstellbar sei, alle Transaktionen einer Berichtspflicht oder alle Überweisungen aus Deutschland nach Liechtenstein einer Quellenbesteuerung zu unterwerfen. Denkbar wären auch Berichtspflichten von Banken bei solchen Überweisungen.

 

    Der Präsident des Liechtensteinischen Bankenverbands, Michael Lauber, sagte in Vaduz: "Die Lösung liegt im Kompromiss. Man muss sich in der Mitte treffen, aber der Finanzplatz wird sich anpassen." Der bei der EU-Kommission zuständige Generaldirektor des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung, Franz-Hermann Bücher, bescheinigte Liechtenstein, mit den EU-Behörden gut zusammenzuarbeiten.

 

    Inzwischen wird in Deutschland auch gegen Treuhänder aus Liechtenstein wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt, wie die Bochumer Staatsanwaltschaft bestätigte. Die Steueraffäre könnte noch größere Dimensionen annehmen: Die Staatsanwaltschaft Rostock hofft, von einem dort in anderer Sache inhaftierten mutmaßlichen Erpresser weitere Daten deutscher Kunden liechtensteinischer Banken zu erhalten, wie ein Sprecher "Focus Online" und der "Süddeutschen Zeitung" sagte. Am Donnerstag und Freitag gab es Razzien der Steuerfahnder auch im Raum Augsburg. /and/sl/DP/sb

 

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