09.08.2009 11:39:00

REPORTAGE: Frankfurts Finanzwelt zwischen Intensivstation und Normalität - 2

    (Fortsetzung)

    Im Biergarten des "Fox and Hound", einem englischen Pub direkt gegenüber der genossenschaftlichen DZ-Bank, sitzt Hans Jäckel bei einer Cola und spricht offen zumindest über den angeknacksten Leumund seines Berufsstandes. "Der gute Ruf von Volkswirten als Konjunkturprognostiker ist wahrscheinlich dahin", sagt Jäckel langsam und zieht an seiner Zigarette. Jäckel, einst Mitarbeiter im Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen und seit 1995 bei der DZ- Bank leitet dort die Abteilung Volkswirtschaft. Regelmäßig schreibt er Kolumnen für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Ihn bringt nichts so schnell aus der Ruhe. Auch nicht die öffentliche Kritik an den verfehlten Wirtschaftsprognosen, vornehmlich aus den volkswirtschaftlichen Abteilungen der Banken.

KEINE SCHWARZMALEREI

    "Prognosen sind immer nur Näherungswerte. Wir machen sie nicht, weil wir sagen: Wir wissen genau, wie es kommt, sondern wir machen sie, weil Unternehmen Input für ihre Planungen brauchen", erläutert Jäckel, warum Prognosen wichtig sind, aber nicht den Zeitpunkt voraussagen können, an dem Spekulationsblasen platzen oder Banken zusammenbrechen. Jäckel sieht eine Schuld bei den Nutzern, die sich auf eine nur scheinbare Planungssicherheit verlassen haben. Jäckel gibt den "schwarzen Peter" also zurück. Die Verantwortung wurde und wird immer noch von den Akteuren der Finanzbranche hin und her geschoben.

    Jäckel ist aber auch niemand, der sich an negativen Prognosen über das Schrumpfen der Wirtschaft berauscht. Er ist strikt dagegen, die Krise in möglichst schwarzen Farben zu malen. "Gerade das Gerede von Hyperinflation oder Deflation, das halte ich nicht für gerechtfertigt, das ist wirklich vertrauensschädigend." Die Warnungen vor rascher Geldentwertung oder dauerhaft rückläufigen Preisen auf breiter Front, könnten zu einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung werden, sagt der Ökonom.

GLAUBE NICHT DER EUPHORIE

    Jäckel blinzelt durch seine Brille, als die Sonne an den Hochhäusern vorbei auf die Holzbänke im Biergarten scheint, nestelt an seinen Fingernägeln und sagt den Satz, der für ihn die Lehre aus dem Beinahe-GAU der Finanzbranche zusammenfasst. "Glaube keinem der sagt: Diesmal ist alles anders." Das gelte auch aktuell für die Bewertung der Krise in Deutschland, die "keine ohne Ende und ohne Boden" sei, und für ihn fast komplett mit dem Einbruch der Exporte zu erklären ist.

    Allerdings glaubt er den euphorischen Stimmen in Boomphasen jetzt noch weniger. Wenn jemand erzähle, bei diesem Boom sei wegen Innovationen auf dem Finanzmarkt alles anders und die Zentralbanken hätten die Lage besser im Griff, darum müsse es diesmal keine Krise geben, dann könne er nur laut warnen: "Glauben sie dem nicht!"

HANDEL IST ZUSAMMENGEBROCHEN

    Am Rossmarkt gibt sich Stefan de Schutter schon lange keinen Illusionen mehr hin. "Der Aktienhandel ist zusammengebrochen", sagt er. Seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 sei das Misstrauen in den Finanzmarkt hinein und die Liquidität, also Geld zum Anlegen, Investieren und Aktien handeln, aus dem Markt heraus. Zwar habe sich der Markt seitdem wieder erholt, aber es sei nicht so wie in den Boomjahren 2008 oder 2007. De Schutter, der Ende der 90er Jahre bei der Frankfurter Volksbank im Aktienresearch angefangen hat und sogar sonntags ins Büro kommt, um börsenrelevante Informationen aus den Sonntagszeitungen und Nachrichtendiensten für den Wochenstart auszuwerten, ist kein Mensch, der sich etwas vormacht. Aber auch niemand, der sich etwas vormachen lässt.

    "Auch wenn der Aktienmarkt jüngst wieder nach oben gegangen ist, ist die Liquidität nicht zurückgekehrt", sagt er. Es seien nur Wenige, die den Kurs des Aktienmarktes beeinflusst hätten. "Der Großteil der Fonds, der üblichen Marktteilnehmer, die stehen immer noch an der Seite." Die Nachrichten von den Unternehmen seien einfach noch zu schlecht. Eine "Hoffnungs-Rallye" sei da von Mitte März bis Juni im Gange gewesen, als der Deutsche Aktienindex Dax um mehr als 40 Prozent nach oben schoss. Befeuert von den Banken, die sich teils zu historisch niedrigen Zinsen bei den Notenbanken mit Geld eindecken können. "Wenn ich wie in den USA Geld für null Prozent bekomme und für vier, fünf Prozent verleihe, dann geht es mir natürlich gut", sagt de Schutter zynisch und zuckt mit den Schultern. Die Wut über das Gebaren in der Branche haben sich de Schutter und seine Kollegen schon lange abgewöhnt.(...)/stb

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