18.11.2017 02:07:56
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Rheinische Post: Gysi: Scheitert Jamaika am Familiennachzug für Flüchtlinge, wird die AfD noch stärker
Union, FDP und Grüne versuchten, sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen. "Sie haben keine gemeinsame Idee für das Land." Inhaltlich sei ein "großes Gewurschtel" abzusehen. Jamaika würde die Probleme der Altersarmut und der Kinderarmut nicht grundlegend angehen und keine wirklich sozial gerechte Politik betreiben. Der eigentliche Problemfall sei die CSU. " Sie hat weniger ein inhaltliches Problem mit Jamaika, sondern ein taktisches. Wenn sie im Bund eine Jamaika-Koalition einginge, könnte sie vor der Landtagswahl in Bayern in einem Jahr nicht glaubhaft argumentieren, dass man in Oberammergau Grüne und FDP nicht wählen solle." Er glaube aber, dass sich Union, FDP und Grüne am Ende einig werden.
Der Wortlaut
Herr Gysi, die Jamaika-Unterhändler haben ihren Zeitplan für die Sondierungsverhandlungen gerissen. Was ist aus Ihrer Sicht als Außenstehender das Problem?
Gysi: Union, FDP und Grüne versuchen, sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen. Sie haben keine gemeinsame Idee für das Land. Die CDU weiß, dass sie im Falle von Neuwahlen wahrscheinlich ohne Angela Merkel antreten müsste, worauf sie personell nicht vorbereitet ist. Sollte es doch eine große Koalition geben, ginge das auch nur, wenn die Kanzlerin zurückträte.
Aber die SPD hat eine große Koalition ausgeschlossen.
Gysi: Es zöge für die SPD einen großen Schaden nach sich, den sie aber bekanntlich des Öfteren nicht scheut. Die Grünen sind aber zu scharf darauf, mitzuregieren. Die FDP malt sich aus, dass sie nach einem Scheitern bei Neuwahlen besser abschnitte, es kann aber auch das Gegenteil eintreten. Sie ist also unsicher. Der eigentliche Problemfall ist die CSU.
Inwiefern?
Gysi: Sie hat weniger ein inhaltliches Problem mit Jamaika, sondern ein taktisches. Wenn sie im Bund eine Jamaika-Koalition einginge, könnte sie vor der Landtagswahl in Bayern in einem Jahr nicht glaubhaft argumentieren, dass man in Oberammergau Grüne und FDP nicht wählen solle. Herrn Seehofer könnte das aber egal sein, wenn er sich als Parteichef und Ministerpräsident zurückzöge. Dann könnte er ein größeres Interesse an einer Jamaika-Koalition haben.
Kommt Jamaika Ihrer Ansicht nach oder nicht?
Gysi: Ich glaube, dass sie sich am Ende einig werden. Sie müssen vorher nur den Eindruck erwecken, wirklich tapfer für ihre Positionen gekämpft zu haben. Die Alternativen sind letztlich nicht akzeptabel. Die Grünen dürfen allerdings nicht auch noch beim Familiennachzug umfallen, weil dies an ihre Substanz ginge. Einem Flüchtling mit unbestimmter längerer Aufenthaltszeit kann man nicht die Ehepartnerin oder den -partner oder die Kinder vorenthalten. Wahrscheinlich wird es einen Kompromiss dergestalt geben, dass man pro Jahr ein begrenztes Kontingent zuließe. Sollte eine Jamaika-Koalition gerade am Familiennachzug scheitern, bekäme die AfD bei Neuwahlen ein noch besseres Ergebnis. Da nützte es der CSU dann gar nichts, dass sie jetzt auf AfD light gemacht hat.
Kann Jamaika ein "historisches Projekt" werden?
Gysi: Inhaltlich ist ein großes Gewurschtel abzusehen. Jamaika
würde die Probleme der Altersarmut und der Kinderarmut nicht
grundlegend angehen und keine wirklich sozial gerechte Politik
betreiben. Wenn der Solidaritätszuschlag abgeschafft wird, hilft das
wieder nur den Besserverdienenden. 40 Prozent der Erwerbstätigen
zahlen keinen Solidaritätszuschlag. Wir brauchen mehr Investitionen
in die Bildung, den Ausbau des Schienennetzes, einen schnellen
Breitbandausbau auf dem Land und wir brauchen sehr viel mehr und
besser bezahltes Personal an Schulen, Kindertagesstätten und in der
Pflege. Auch die Polizei muss aufgestockt werden.
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Pressekontakt: Rheinische Post Redaktion
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