07.10.2016 17:17:41

ROUNDUP: Nach Tuifly-Chaos mehrt sich Kritik an Entschädigungshaltung der Tui

HANNOVER (dpa-AFX) - Nach den massiven Flugausfällen beim Ferienflieger Tuifly und seinem Partner Air Berlin mehrt sich die Kritik am Tui-Konzern, der keine Entschädigungen an die betroffenen Passagiere zahlen will. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) empfahl geschädigten Urlaubern, Schadenersatzansprüche bei dem Ferienflieger anzumelden. Er könne allen Kunden nur raten, ihre rechtlichen Ansprüche geltend zu machen, sagte der CSU-Politiker am Freitag am Rande der Verkehrsministerkonferenz in Stuttgart. Das Unternehmen beruft sich auf höhere Gewalt und will Betroffenen nicht entschädigen.

Weil sich viele Crew-Mitglieder bei Tuifly kurzfristig krank gemeldet haben, sind in den vergangenen Tagen zahlreiche Flüge ausgefallen. Betroffen war und ist auch Air Berlin, denn ein Drittel der Tui-Flotte fliegt samt Besatzung für die Berliner. Es sei keine akzeptable Situation, die man gerade vorfinde, sagte Dobrindt. Er forderte alle Beteiligten zu raschen Gesprächen auf. Der Konflikt dürfe nicht auf dem Rücken der Kunden ausgetragen werden.

Am Abend sollte bei einem Krisengespräch im niedersächsischen Wirtschaftsministerium ein Ausweg aus der verfahrenen Situation gesucht werden. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hatte zum "Runden Tisch" mit Unternehmens- und Belegschaftsvertretern der Tuifly geladen. "Wir wollen endlich Fakten haben und hoffen, dass wir die Flugzeuge möglichst bald wieder in die Luft bekommen", sagte Tuifly-Betriebsratschefin Karin Grobecker vor Beginn des Treffens.

Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) pocht auf ein schnelles Ende der Flugausfälle bei Tuifly und forderte im Gespräch mit den "Ruhr-Nachrichten" (Samstag), den Konflikt nicht auf dem Rücken der Passagiere auszutragen. Kritik kam auch vom Tourismusforscher Torsten Kirstges, der den Tuifly-Mutterkonzern Tui vor einem Imageschaden warnte. Mit Blick auf die Entschädigungsfrage sagte er der Deutschen Presse-Agentur: "Da hätte man sich besser bedeckt gehalten." Er gehe davon aus, dass die Gesellschaft entsprechende Prozesse verlieren werde und dann doppelt am Pranger stehe. Nach seiner Einschätzung liegt die ausreichende Personalausstattung in der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers.

Wegen der Flugausfälle sitzen rund 900 Gäste der Thomas Cook-Veranstaltermarken Thomas Cook, Neckermann Reisen, Bucher Last Minute und Öger Tours in verschiedenen Urlaubsgebieten fest. Das teilte Thomas Cook am Abend mit. Um alle Gäste von den Kanarischen Inseln und aus Griechenland zurück nach Deutschland zu befördern, werde das Unternehmen kurzfristig acht zusätzliche Flüge, vor allem mit der konzerneigenen Airline Condor durchführen.

Mehr Kulanz fordern die Reisebüros, die für Urlauber Stornierungen oder Umbuchungen vornehmen müssen, ohne dass der Mehraufwand vergütet wird. Die aktuellen Probleme dürften nicht auf dem Rücken der Reisebüros ausgetragen werden, erklärte der Branchenverband DRV. Mitarbeiter der Büros seien Leidtragende bei der Tuifly-Krise.

Vor einer Woche war bekanntgeworden, dass Tuifly in eine neue Dachholding mit Etihad integriert werden soll. Arbeitnehmervertreter befürchten Job-Verluste. Seitdem führen kollektive Krankmeldungen der Besatzungen zu zahlreichen Flugausfällen und massiven Verspätungen.

Niedersachsens Wirtschaftsminister will beim "Runden Tisch" darauf hinwirken, dass die für Ende Oktober geplante Entscheidung über die beabsichtigte Holding auf ein späteres Datum verschoben wird, sagte die Sprecherin. "Das Treffen soll deeskalierend wirken und den Druck aus der Situation herausnehmen; es geht darum, dass die Akteure sich austauschen über ihre Ängste und Nöte."

Tuifly versucht mit gemieteten Maschinen und Crews einen Teil der Flugausfälle aufzufangen. Tuifly hatte am Donnerstagabend zunächst mitgeteilt, den Flugbetrieb Freitag weitgehend einzustellen. 108 Flüge sollten demnach ausfallen; über 9000 Passagiere seien betroffen.

Auf Unverständnis stießen die Tuifly-Turbulenzen auch an deren Heimatbasis Hannover. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer der niedersächsischen Metallarbeitgeber (NiedersachsenMetall), sprach von einer "Form des versteckten Arbeitskampfes" und meinte: "Hier wird quasi gestreikt." Krankheit werde offensichtlich instrumentalisiert, um gegen mögliche unternehmerische Beschlüsse zu revoltieren: "Die Krankmeldung als Instrument einzusetzen, um eigene Ziele zu erreichen, untergräbt die Glaubwürdigkeit von Krankmeldungen insgesamt; das schadet jedem, der wirklich erkrankt ist."/rek/stw/ceb/DP/enl

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